IN DEUTSCHLAND FEHLT EIN ERHÖHTER MEHRWERTSTEUERSATZ
: Luxus- statt Vermögensteuer

Arbeitseinkommen schafft Werte – das Haus, das Auto, die Weltreise. Geld zu haben ist dagegen verdächtig. Eine durchaus europäische Eigenschaft, hat der französische Philosoph Michel Serres festgestellt. In den USA, so Serres, ist das Geld das Ziel, die Sachen sind nur das Mittel dazu. In Europa ist es umgekehrt: Mit Geld kann man Sachen machen.

Die Streichung der Vermögensteuer in der Kohl-Ära fügte sich hervorragend in die damalige Amerikanisierung: Von der Erfindung des Neuen Marktes bis zur Verschärfung des Streikrechts tauschte die konservative Koalition unsere Erhard’sche Ordnungs- gegen amerikanische Law-and-Order-Politik ein. Reichtum war schick. Das US-Modell hätte sich tatsächlich bei uns durchsetzen können, wenn die Ron Sommers und Thomas Haffas ihre Börsenmilliarden ordentlich und produktiv investiert hätten. Haben sie aber nicht. Also geht es jetzt völlig zu Recht in die andere Richtung.

Brauchen wir deshalb die Vermögensteuer zurück? Ja – wenn Steuern einen pädagogischen Zweck haben sollen. Sie behindert das so uneuropäische Aufhäufeln von Geldbergen und fördert die Verwandlung von Vermögen in Verbrauch: Je höher der Vermögensteuersatz, desto niedriger der Kontostand – und desto größer die Autos in der Garage und die Yachten an der Costa del Sol.

Doch in erster Linie sollen Steuern dem Staat Einnahmen bringen. Deshalb besteuern die Amerikaner ja auch Spekulationsgewinne, Grundbesitz, Geldvermögen und Erbschaften weit höher als wir. Wer aber nicht nur ein paar Sozialneid-Punkte sammeln will, sondern tatsächlich die hiesigen Millionäre treffen möchte, wo es ihnen wehtut, sollte die Vermögensteuer begraben – und dafür eine Luxussteuer einführen. So, wie es fast überall eine ermäßigte Mehrwertsteuer für Grundbedarfsgüter gibt, gibt es in vielen Ländern auch eine erhöhte Mehrwertsteuer auf Luxusgüter; nur in Deutschland noch nicht. Wenn wir die einführen, sparen wir uns die abstrakte Debatte über die Ethik der Millionäre – und streiten dafür handfest darum, welches Haus, welches Auto, welches Boot in Deutschland als Luxus gelten soll. DETLEF GÜRTLER