Die Flut als Naturschützer

Hochwasserkonferenz in Dresden: Wie viel Renaturierung ist sinnvoll und möglich?

DRESDEN taz ■ Schon vor der heute von der sächsischen Staatsregierung veranstalteten Hochwasserkonferenz steht fest: Die Flut hatte auch ihr Gutes. „Das Hochwasser hat Renaturierungen vollzogen, die ansonsten viel Geld gekostet hätten.“ Umweltamtsleiter Werner Lobeck aus dem Erzgebirgskreis Aue-Schwarzenberg war sich auf einer Vorläuferkonferenz der sächsischen Bündnisgrünen darüber klar, „dass dies in den Ohren vieler Geschädigter sarkastisch klingen muss“. Allein ist er mit dieser Auffassung aber nicht.

Amtsleiter Lobeck kann am Beispiel des erzgebirgischen Pöhlwassers nachweisen, dass der Bach innerhalb von Ortschaften deutlich weniger Schäden anrichtete, wenn ihm Auslauf gewährt wurde. Bekanntermaßen kennt die Natur keine Katastrophen. „Wie in der Entstehungszeit unserer Topografie hat die Flut landschafts- und talprägend gewirkt“, sagt Hans-Ulrich Sieber von der Sächsischen Talsperrenverwaltung.

Jetzt ist der Streit darüber, wo die jüngsten Prägungen belassen werden können, in vollem Gange. Sachsens Umweltminister Steffen Flath (CDU) ging in die Offensive und verkündete seine Hochwasserschutzpläne. Neben den üblichen Schutzbauten wie Deichen und Talsperren rückte er auch die Renaturierung ins Blickfeld. Die bisher ausgewiesenen Überschwemmungsgebiete sollen sich deutlich erweitern. Dabei rechnet Minister Flath mit „erheblichen Widerständen“. Woher die kommen, zeigt unter anderem ein Schreiben mehrerer Bürgermeister des Landkreises Aue-Schwarzenberg. Darin bitten sie den Landrat, bei Entscheidungen zur künftigen Ufergestaltung „nicht ausschließlich ökologischen Aspekten den Vorrang zu geben“.

Gemeint ist hier konkret der Streit um die Ufer- oder Deichbepflanzung. Bei Letzterer sieht sich die Talsperrenverwaltung im Recht gegenüber den Naturschützern. 70 Prozent der Deichschäden seien durch Baumbepflanzung verursacht worden. Jens Weber von der Grünen Liga verteidigt die Ufergehölze. Weber spricht von „völliger Anarchie“ in den ersten Wochen nach der Flut. Die Bagger von THW und Bundeswehr schoben die Erde planlos dorthin, wo sie der jeweilige Besitzer gerade haben wollte. „Akute Gefahrenabwehr“ heißt das im Amtsdeutsch.

Alle Umweltbehörden bis hinauf zum Ministerium räumen ein, dass da „viel Blödsinn gemacht wurde“. Infrastruktur und Eigentum lauten die beiden Haupthindernisse für flächenwirksame Hochwasserprävention. Einen Wettlauf der Interessen hat das sächsische Umweltministerium jedenfalls schon jetzt verloren: Während die Regierungspräsidien längst die Infrastruktur-Aufbaupläne der Kommunen genehmigen, lässt der detaillierte Expertenplan zum Hochwasserschutzkonzept noch bis Anfang 2003 auf sich warten. Keine Sorge: Das Frühjahrshochwasser kommt bestimmt! MICHAEL BARTSCH