Dance to the Underground

Agit-Disco trifft auf Synthie-Wave-Revival: „Radio 4“ und „The Faint“ reanimieren im Logo auf zweierlei Weise die Musik der frühen 80er Jahre

Hedonismus und Politik zusammenzubringen, hatte schon immer einen schalen Beigeschmack. Die Revolution soll schließlich weder Spaß machen noch im Fernsehen übertragen werden. Was wiederum damit zusammenhängt, dass Spaß und Fernsehen bislang der konservative Makel des Staatstragenden anhaftet.

Alles falsch, erkannten Radio 4, als der damalige Bürgermeister ihrer Heimatstadt New York City, Rudolph Giuliani, lange vor seinen wärmenden Auftritten nach einem dunklen Tag im September 2001 damit begann, das Tanzen per Gesetz zu kriminalisieren. Die fünf haben sich Giulianis Gesetze so zu Herzen genommen, dass sie – nach nicht untypischen Ursprüngen in einer Post-Punk-Plattensammlung – klanglich eine deutliche Kurskorrektur vornehmen.

Dance to the Underground lautete der schnörkellose Titel der Platte zum neuen Radio-4-Abschnitt. Ohne ihre hellen, lauten Gitarren oder den stakkatohaft-wütenden Gesang aufzugeben, verleibte die Band sich Funkbeats ein, und seither ist bei Radio 4 das Medium die Botschaft: In der Agit-Disco wird tanzen zur Demonstration. Und tanzen lässt sich gut, denn selten kollidierten Rock und Disco besser als auf Gotham, dem jüngsten, zweiten Album der Band: Ein Zusammenspiel aus massiven, autonomen Bassläufen, klingelnden Gitarren, Keyboards, Perkussion und wunderbaren Pop-Melodien, das verblüffend unverblümt an Gang Of Four erinnert.

Sich über solche Leichenfledderei zu echauffieren, darf getrost den Gralshütern der Authentizität überlassen worden, wir restlichen freuen uns darüber, dass Radio 4 einer seit Pop Group und den besten Clash-Momenten ausgestorben geglaubten Verquickung aus Beats und lauten Gitarren zur strahlenden Wiederauferstehung verhelfen.

Auch The Faint halten nicht hinter dem Berg mit ihren Einflüssen, sie verdauen die komplette britische Synth-Wave Szene der frühen und mittleren 80er: Von Soft Cell über Human League bis zu Art of Noise rufen Synthesizer-Parts Erinnerungen aus vergessenen Schwarzlichtdiskos hervor – sogar die Stimme des Sängers klingt, wenn nicht gerade roboterhaft verzerrt, wie die von Robert Smith (The Cure).

Dabei kommen The Faint aus Omaha, Nebraska, einer eher verschlafenen Stadt, die zuletzt weniger als Dark-Wave-Dorado aufgefallen ist, denn als Heimat von Conor Oberst alias Bright Eyes. Dort spielte der Kern von The Faint vor ein paar Jahren noch verrauscht übersteuerten Lo-Fi-Folk, bis sie von verstimmten akustischen Gitarren die Faxen dick hatten und sich in jugendlichem Oppositionssinn einem Genre zuwandten, das noch weniger hip war. Ärgerlich nur, dass ihre durchaus glaubwürdige Reanimation stampfender, tanzbarer Synthesizerbeats andernorts freudigen Ohrs aufgenommen wurde. Sie ist zwar nicht weniger retro-lastig als Radio 4, erfordert zur Wertschätzung aber womöglich ein anderes Humorverständnis – oder eine depressive Jugend.

Gregor Kessler

Donnerstag, 21 Uhr, Logo