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Spaßfaktor Lack

Polaroid-Fotos sind nicht nur Spielzeug. In der Ausstellung „Polaroid-Manipulationen“ haben sie sich durch Feuerzeuge und Domestos zum Kunstmedium gemausert

Polaroid, das ist der Big Mac der Fotografie: weltweit bekannt, einfach zu handhaben und farblich immer knapp an dem vorbei, was die Natur eigentlich bietet. Polaroid ist ein Gemeinschaftserlebnis, ist das Dokument, in dem Verliebte ihre ersten Verabredungen verewigen, ist sogar noch im Jahr 1999 laut Brigitte ein Party-Utensil mit „verblüffend hohem Spaßfaktor“. Dabei ist Polaroid in Farbe ein Kind der 60er und mittlerweile geadelt als Medium der Kunst – Andy Warhol war davon begeistert und der Deutsche Künstler Herbert Döring-Spengler hatte die Idee, Polaroids in den Toaster zu stecken und zu rösten.

Da lassen‘s die Bremer Webdesigner Marco Grunwald und Britta König sowie die Grafiker Dietmar Müller und Michael Rippl softer angehen: Wenn Hitze, dann Glühbirne oder Feuerzeug. Ansonsten bearbeiten sie ihre Polaroids mit Nagelfeile, Schraubenzieher oder Schmiergelpapier. Rippl setzt auch gerne die Spritze an und injiziert seinen Bildern Domestos, Lack, Uhu oder Zucker. König poliert gerne mit Spüli nach. Und Müller versilbert die Bildränder mit Terpentin. Grunwald: „Der Reiz ist, sich immer neue Sachen auszudenken.“

Die Ergebnisse der Experimente sind derzeit ausgestellt unter dem Titel „Polaroid-Manipulationen“ in den Räumen der ArGe netpool, einer Bürogemeinschaft, mit der die Polaroid-Künstler auch in ihren Brotberufen zu tun haben. Die Nähe der Polaroids zu den Computerterminals der jungen Firmen ist kein Zufall. Grunwald: „Wir verdienen unser Geld im digitalen Bereich, da ist es toll, mal wieder in einem analogen Medium was zu machen.“

Analog, das heißt in diesem Fall: Zeit und Unveränderbarkeit spielen zentrale Rollen. Nur etwa zwei Minuten bleiben nach dem Auslösen der Bilder, um in den Entwicklungsvorgang einzugreifen. Danach lässt sich zumindest an der Polaroid-Entwicklungspaste nichts mehr verändern. „Dabei entsteht viel Ausschussmaterial“, erzählt Grunwald und Rippl meint: „Jedes Bild, das gut wird, ist ein Glücksmoment. Leider ist nur eines von zehn wirklich super.“

Versammelte Glücksmomente also – wobei es König vor allem um die Farben geht, Grunwald mit Ausschnitten arbeitet und Rippl sich gern zerstörerisch am Material abarbeitet. Müllers Bilder wirken nicht mehr ganz so happy, sind dafür aber die interessantesten: Er hat vor allem Zeichen und Symbole aus verschiedenen Kulturkreisen abfotografiert und die Oberflächenstruktur der Polaroids bearbeitet. Die Bildränder leuchten in antik-verwaschenem Silber: Ein spannungsreicher Kontrast zum trashigen Charme der Bildmotive.

Klaus Irler

noch bis zum 6.12. in der ArGe netpool, Am Wall 196. Öffnungszeiten: werktags von 14 bis 18 Uhr und nach Absprache unter ☎ 0421 - 24 34 992

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