mein persönlicher flugbegleiter von ANDREAS MILK
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Selbstverständlich finde ich es prima, dass seit dem 11. September 2001 viel getan worden ist für die Sicherheit an Bord von Flugzeugen. Und von mir aus auch für die Sicherheit der Bewohner von Gebieten unterhalb von Flugzeugen. Leider nützte mir das alles nichts an Bord einer Maschine auf dem transatlantischen Weg von Kanada nach Deutschland: Neben meinem Sitznachbarn wäre nämlich selbst unser Bundesinnenminister Schily hibbelig geworden. Blendend gelaunt stieß also dieser Nachbar mich Sekunden vor dem Abheben an: Das sei ja lustig – die Maschine, in der wir säßen, sei eine Maschine desselben Typs wie jene, die bald nach dem 11. September in New York in ein Wohngebiet gekracht sei; damals habe man zuerst an einen neuen Terroranschlag geglaubt, aber dann sei es wohl doch ein technischer Defekt gewesen, wie auch immer, schon komisch, das, nicht wahr, pruuust?! Und obschon ich gern einmal öffentlich lächle, hielt ich mich in diesem Moment doch eher zurück.

Und obschon ich einige Male geflogen bin, gebe ich zu, dass ich nach diesem Vorgeplänkel auf der Rollpiste von Vancouver International die Geräusche und Bewegungen, die so ein Düsenjet produziert, einen Tick sensibler verfolgte als sonst. Mein Sitznachbar fuhr fort, Betrachtungen über die zivile Luftfahrt anzustellen. Zum Beispiel teilten die Fluggesellschaften nach dem 11. September 2001 nur noch Plastikmesser an die Passagiere aus. „Dabei tut’s eine Gabel doch auch, wenn ich so einen Vogel entführen will“, juchzte der Nachbar und setzte mir, rein scherzeshalber, die metallenen Zinken an den Hals. Nur mal so am Rande: Wollen eigentlich die kleinen Jungs heutzutage immer noch alle Pilot werden?

Mein persönlicher Flugbegleiter kümmerte sich neun Stunden lang um mich; ich erfuhr viel über kriminellen Flugzeug-Ersatzteil-Handel, Keime in der Kabinenluft, Sprengstoff-Lagerung in schwer einsehbaren Winkeln des Handgepäcks und Wissenswertes über tausendundeine Möglichkeit, Sicherheitskontrollen auf den Airports auszutricksen. Sogar ein vor sich hin brabbelnder Säugling zwei Reihen vor uns erschien plötzlich der terroristischen Machenschaften verdächtig. „In einer vollgekackten Windel kann man kinderleicht eine Waffe verstecken, wer würde denn da schon nachschauen?“, referierte der Nachbar. Endlich war Frankfurt erreicht; eine sanfte Landung. Etliche Passagiere applaudierten. Übler Fehler! Der Blick meines Nachbarn spiegelte puren Ekel wider: „Was machen die, wenn die Kiste abstürzt“, fragte er, „rufen die dann ,Buh‘?“ Dummerweise erfahre man das ja nie, weil die Voicerekorder, die dann auf irgendwelchen Meeresböden gefunden würden, nur die Stimmen im Cockpit aufzeichneten. Tonaufnahmen bei den Passagieren, hach, das wär’s, fand der Nachbar – an ihm jedenfalls würden die Ermittler nach einer Katastrophe ihren Spaß haben, pruuust!

Tja. Was ich eigentlich nur sagen will mit dieser Geschichte: Wenn die Umsätze der Touristikbranche einbrechen, ist daran nicht nur Bin Laden schuld. Oooh nein.