Vertrauensvorschuss aufgebraucht

In Norwegen und Schweden arbeiten die Regierungen an gesetzlichen Quoten für Vorstände von Aktiengesellschaften.40 bzw. 25 Prozent der Posten sollen bis 2005 mit Frauen besetzt sein. Qualifizierte Kandidatinnen gibt es längst genug

aus Stockholm REINHARD WOLFF

40 Prozent der Vorstandsposten in börsennotierten Aktiengesellschaften sollen in Norwegen ab 2005 von Frauen besetzt sein. Das sieht eine Gesetzesvorlage vor, an der das Familien- und Gleichstellungsministerium in Oslo derzeit bastelt. Anfang 2003 soll das Parlament abstimmen, eine Mehrheit scheint sicher.

Die christdemokratische Familienministerin Laila Dåvøy hat die Geduld mit der Wirtschaft verloren. Denn die Zielmarke gilt schon seit 1995. Seitdem haben zwei Regierungen an einem Gesetz herumgedoktert – und es nach Versprechen der Unternehmen, den Frauenanteil auch ohne Zwang zu erhöhen, wieder weggepackt. Von 2000 auf 2001 ist der Frauenanteil in den Vorstandsetagen aber gerade mal von 6,4 auf 7,3 Prozent gestiegen. Dåvøy: „Die Wirtschaft braucht Unterstützung.“

Deshalb hat die Ministerin schon bei ihrem Amtsantritt vor einem Jahr klargestellt, dass die gesetzliche Quotierung für sie vorrangig ist. Schon im März 2001 hatte Oslo die Quotierung in einem Grundsatzbeschluss abgesegnet und festgelegt, dass staatliche Unternehmen im März nächsten Jahres die 40-Prozent-Quote erfüllt haben müssten. Eine Datenbank mit über 1.000 hoch qualifizierten Frauen, die Führungsaufgaben übernehmen wollen, existiert bereits. „Das ewige Argument, mit den Frauen würde Inkompetenz in die Vorstände Einzug halten, zieht nicht mehr“, sagt die Ministerin: Damit wolle bloß „der Männerklub, der sich jetzt gegenseitig in die Posten wählt, seine Ruhe haben“.

In Schweden arbeitet die ehemalige Gleichstellungsministerin Margareta Winberg, die Ministerpräsident Göran Persson vor kurzem zu seiner Stellvertreterin beförderte, an einem ähnlichen Gesetz. Sie hatte der Wirtschaft 1999 fünf Jahre Zeit gegeben, zu einer „Verbesserung der Frauenrepräsentation“ in AG-Vorständen zu kommen. Ziel: 25 Prozent Frauenanteil. Doch auch den haben gerade einmal 10 der börsennotierten 297 AGs geschafft. 2 von 3 sind reine Männervereine. Wenn sich nichts ändert, will Winberg dem Parlament 2004 eine gesetzliche Quotierungsregelung vorlegen.

Auch für sie gilt das Argument fehlender Qualifikation nicht: „Die traditionelle Definition von Kompetenz legen Männer fest.“ Hierbei sei bislang meist deren angeblich größere Erfahrung aufgrund vorheriger ähnlicher Führungspositionen als Hauptargument genannt worden. „Die weibliche Kompetenz der Zusammenarbeit und des Aufbaus von Netzwerken ist doch ideal zur Ergänzung der Männern zugeschriebenen Kompetenz, Profis bei wirtschaftlichen Fragen zu sein.“

Dass neun von zehn weiblichen Chefs sich in einer Umfrage gegen eine Quotierung ausgesprochen haben, stört Winberg nicht. Sie verweist auf zwei Spitzenfrauen aus Unternehmen, die die Viertelquote bereits erfüllt haben: die Chefin von Telia, Marianne Nivert, und die der Föreningsspar-Bank, Birgitta Johansson-Hedberg. Beide waren kürzlich vehement für eine gesetzliche Regelung eingetreten.

Das juristische Argument, ein Quotierungsgesetz könne gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot oder die Gesetzgebung der EU verstoßen, hält Regierungsjuristin Ewa Fors Norén für „eine gesetzestechnisch lösbare Frage“. Der Gesetzgeber könne bestimmte Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in den Gremien von AGs aufstellen. In Schweden ist noch nicht entschieden, welche Sanktionen es gegen „unwillige“ Aktiengesellschaften geben soll. In Norwegen gibt es einen wohl effektiven Vorschlag: Verweigerung der Aufnahme ins bzw. Streichung aus dem Aktienregister.