Schützenhilfe für den alten Freund

Ungeklärt ist, wer für mögliche Kriegszerstörungen zahlt. Die Bundesregierung hofft unverändert auf eine friedliche Kontrolle der Waffenbestände Iraks

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Gerhard Schröder liebt es, jedem seiner Auftritte den Stempel eines Adjektivs aufzudrücken. „Glasklar“ lautete gestern die Vokabel des Tages – es war eine Vokabel, aus der Verzweiflung geschöpft. Zu laut waren die Vorwürfe von Opposition und Medien geworden, beim Thema Irak tarne, täusche und trickse die Bundesregierung umso mehr, je länger der Wahltag zurückliege. Zum ersten Mal, seit Rot und Grün im August dieses Jahres den Irakkrieg zum Politikum machten, traten darum im Kanzleramt die drei Chefaußenpolitiker der Koalition gemeinsam vor die Presse. Schröder, Außenminister Joschka Fischer und Verteidigungsminister Peter Struck starteten in der Defensive. Zuletzt war Struck knapp an einer Lüge vorbeigeschrammt, als er trotz Presseanfragen eine Bitte Israels um Luftabwehrraketen verschwieg.

„Ich habe ein großes Interesse daran, so präzise wie möglich Auskunft zu geben“, beteuerte der Kanzler jetzt. „Wir legen Wert darauf, dass glasklar wird“, dass die Fuchs-Spürpanzer im Irak nur mit einem Mandat für den Antiterrorkampf ausgestattet seien. „Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, von der Mandatierung durch den Deutschen Bundestag in irgendeiner Form abzuweichen.“ Offen blieb in dieser Formulierung, ob nicht ein neues Mandat denkbar ist, wenn die Lage vor Ort sich durch einen Krieg ändert. Schröder wiederholte nur, es sei „glasklare Position“ der Bundesregierung, sich nicht an einer militärischen Intervention im Irak zu beteiligen.

Deutlich verhuschter fiel das Eingeständnis aus, dass die Bundesregierung die Wunschliste der Amerikaner sehr weit gehend erfüllen wird. Worauf es den USA militärisch wirklich ankommt, das stellt Deutschland bereit: Überflugrechte für die USA und alle Nato-Verbündeten, die sich an einem Irakkrieg beteiligen wollen, sowie die Nutzung und den militärpolizeilichen Schutz der US-Stützpunkte in der Bundesrepublik.

Unklarheit herrschte in zwei Punkten der US-Anfrage, über die Fischer und Struck bereits am Rande des Nato-Gipfels vergangene Woche in Prag mit ihren US-Kollegen sprachen. Schröder erklärte, die USA hätten auch um finanzielle und materielle Ressourcen für einen möglichen Wiederaufbau des Irak gebeten sowie um regional einsetzbare Raketenabwehrsysteme. Selbst CDU-Außenpolitiker Wolfgang Schäuble, der für die Union bei der Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden im Kanzleramt am Tisch saß, bekannte hinterher: „Für mich ist in der Unterrichtung nicht klar geworden, worin der Unterschied zwischen der US-Anfrage und der israelischen Anfrage [nach Luftabwehrraketen] liegt.“ Offen blieb daher, ob die Bundesregierung einen US-Wunsch nach den Raketen für einen Einsatz außerhalb Israels abgelehnt hat, sich dazu später äußern wird, oder ob die US-amerikanische und die israelische Anfrage identisch waren.

Ungeklärt ist auch, inwieweit Deutschland als Zahlmeister für Zerstörungen durch einen Krieg aufkommt. Schröder nahm für sich die moralische Position in Anspruch, nicht über Kriegsfolgeschäden sprechen zu wollen, solange ein Krieg noch vermeidbar sei. Die Bundesregierung hoffe unverändert auf eine friedliche Kontrolle der Waffenbestände des Irak. „Deswegen denke ich, dass es auch falsch wäre, so zu tun, als müsse das Land wiederaufgebaut werden.“ Ausgeschlossen ist damit eine Aufteilung der Kriegslasten nicht – das Modell Afghanistan könnte Vorbild sein.

Besonders bemerkenswert: Das Kürzel „UNO“ fiel bei dem Auftritt des Trios im Kanzleramt kein einziges Mal. In Abwesenheit der PDS (die bei der Bundestagswahl ihren Fraktionsstatus verloren hatte) blieb es Wolfgang Schäuble überlassen, die Kritik der Opposition daran vorzutragen. Offenbar treffe die Bundesregierung keine Unterscheidung mehr, so der CDU-Fraktionsvize, ob eine Intervention im Irak unter UN-Mandat oder im Alleingang der USA und williger Verbündeter stattfinde. Während Schäuble darin vor allem die Preisgabe des Multilateralismus als Leitlinie deutscher Außenpolitik sieht, könnte die rot-grüne UNO-Ignoranz der Koalition handfesten Streit bescheren. Gehen die USA gegen den Irak ohne UN-Mandat vor, aber von deutschem Territorium aus, stehen die Kritiker schon bereit, die der Bundesregierung die Unterstützung eines Angriffskriegs vorhalten. Der freilich ist im Grundgesetz verboten.

Die Organisation IPPNW, Trägerin des Friedensnobelpreises 1985, stellte unterdessen ihre Schätzung der Kriegstoten vor: Bleibt der Krieg auf konventionelle Waffen und drei Monate Dauer begrenzt, rechnet die Initiative mit 50.000 bis 250.000 Toten insgesamt.