DEUTSCHLAND HILFT DEN USA, DIE TODESSTRAFE ZU VERHÄNGEN
: Lausige Justizpolitik

Von den Fähigkeiten US-amerikanischer Gerichte scheint die neue Justizministerin, ganz im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin, eine überaus hohe Meinung zu haben. Nach mehr als einjährigem Tauziehen hat Brigitte Zypries jetzt zugesichert, dass die Vereinigten Staaten aus Deutschland Dokumente für den Prozess gegen Zacarias Moussaoui erhalten – vorausgesetzt, die Unterlagen würden nicht für jene Teile des Prozesses genutzt, „bei denen es um die Todesstrafe geht“.

In der Praxis darf man sich das ungefähr so vorstellen: Beraten die Geschworenen die Frage, ob Moussaoui die Anschläge vom 11. September 2001 mit vorbereitet hat oder nicht, dann dürfen sie das deutsche Material ausführlich diskutieren. Für die anschließende Strafzumessung jedoch müssen sie das mit deutscher Hilfe erworbene Wissen aus ihrem Gedächtnis tilgen – eine Prozedur, die nicht einmal auf elektronischen Festplatten vollständig gelingt.

Bisher gab es Beweismittel aus Deutschland nur gegen die verbindliche Zusicherung, dass die Todesstrafe im jeweiligen Fall nicht verhängt wird. Diese Maxime hat die Ministerin de facto aufgegeben. Sie hielt es nicht einmal für nötig, die Öffentlichkeit unverzüglich darüber zu informieren, dass sie sich bereits am Sonntag mit ihrem französischen Kollegen Dominique Perben auf die neue Linie geeinigt hatte. Wie so oft in diesen Tagen vollzieht die Regierung einen Paradigmenwechsel und tut so, als wäre nichts gewesen.

Bei Herta Däubler-Gmelin wäre das nicht passiert. Der Widerstand gegen das „lausige“ Rechtssystem der USA war für die resolute Schwäbin eine Herzensangelegenheit. Durch ihren berüchtigten Bush-Hitler-Vergleich hat sie aber selbst dazu beigetragen, dass sich die Nachfolgerin gegenüber dem amerikanischen Ansinnen so nachgiebig zeigt: Die Dokumente sind Teil des Preises, den die Bundesregierung für diesen Fehltritt zahlt. In der Irakfrage ist sie durch Wahlversprechen gebunden, bei der Todesstrafe nicht. Das Urteil über eine solche Justizpolitik lässt sich in einem Wort zusammenfassen: lausig. RALPH BOLLMANN