Schily blockiert eigenes Gesetz

Innenminister erhebt Vorbehalt gegen EU-weiten Schutz bei nichtstaatlicher Verfolgung

BERLIN/BRÜSSEL taz ■ Der verbesserte Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung war einer der Erfolge, mit denen sich die Grünen nach der Verabschiedung des neuen deutschen Zuwanderungsgesetzes schmückten. Trotzdem versucht Innenminister Otto Schily (SPD) weiter, eine entsprechende EU-Regelung zu verhindern.

In dem Richtlinienentwurf für ein europäisches Flüchtlingsrecht, der gestern in Brüssel verhandelt wurde, ist ein deutscher Vorbehalt vermerkt. In dem Papier, das der taz vorliegt, heißt es unter Artikel 9, die EU-Staaten sollten unter bestimmten Voraussetzungen auch bei Verfolgung durch „non-State actors“ Schutz gewähren. In einer Fußnote wird jedoch auf Bedenken hingewiesen. Deutschland verlange eine Überprüfung („D: scrutiny reservation“).

Bei ihrem Treffen konnten sich die EU-Minister nicht auf Mindestnormen zur Anerkennung von Flüchtlingen einigen. Schily hatte angekündigt, die EU-Richtlinie zu blockieren, weil er sich noch mit den deutschen Bundesländern abstimmen müsse. Flüchtlingsorganisationen warfen ihm vor, freiwillig auf Bundeskompetenzen zu verzichten und sich hinter Einwänden der Union zu verstecken.

Bereits verhindert hat Schily eine weitere Vorgabe der EU, die Asylbewerbern nach spätestens einem Jahr automatisch Zugang zum Arbeitsmarkt erlaubt hätte. Schily wollte auf strengere Bedingungen und den Vorrang für Inländer bei der Jobvergabe nicht verzichten. Länder mit geringerer Arbeitslosigkeit und wenigen Asylbewerbern wollten dies möglicherweise großzügiger regeln, sagte Schily.

Zu den Hardlinern in der EU gehört neben Deutschland auch Großbritannien. Die Labour-Regierung wollte erreichen, dass die Mindeststandards bei der Versorgung von Asylbewerbern unterschritten werden können, wenn diese sich nicht unverzüglich nach Ankunft in dem Land melden. Dies wurde zunächst abgelehnt. Beschlossen wurden dagegen eine engere Kooperation bei der Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern und schärfere Strafen gegen Menschenschmuggler.

Vor der deutschen Innenministerkonferenz kommende Woche forderte ein Menschenrechtsbündnis ein Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge. Den rund 230.000 geduldeten Menschen in Deutschland werde bislang keine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht, kritisierten Sprecher von DGB, evangelischer Kirche und „Pro Asyl“ in Berlin. LUKAS WALLRAFF

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