: In den Leib gefahren
In Oliver Hirschbiegels „Mein letzter Film“ gibt Hannelore Elsner eine Schauspielerin, die die Produktionsmittel in die eigene Hand nimmt
„Mein letzter Film“ ist – wie sagt man? – Hannelore Elsner auf den Leib geschrieben, allerdings auf den Leib einer Elsner mit der Patina der „Unberührbaren“. Marie trifft sich mit einem jungen Mann im Café. Hier wird aber keine sexuelle Dienstleistung verabredet, wie es ein wenig angedeutet wird, der Mann soll ihr dabei helfen, die Inventur ihres Schauspielerinnenlebens auf Video festzuhalten. Während sie also in ihrer großen Berliner Wohnung Koffer packt, präsentiert sie sich als eine Frau mit Kanten und Falten, humorvoll, selbstironisch und jetzt eben entschlossen, Beruf, Erinnerungen und Männer aufzugeben.
Vor dem großen Aufbruch steht der Rückblick, auf Affären und Erfolge (hat sie beide gehabt), Terroristen (hat sie in ihrer Wohnung aufgenommen), Terror-BHs (werden verbrannt), Falten (von denen habe sie jetzt mehr als genug) und wieder auf Männer, vor allem den „Regisseur und Entdecker“, den „Politiker“ und einen „Fußballtrainer“, über die es einiges zu sagen gibt.
Kein Gemeinplatz weiblicher TV-Aufmüpfigkeit wird ausgelassen, trotzdem stellt sich das (Fast-)Ein-Personen-Stück als Experiment mit wasserdichtem Konzept auf: Die Schauspielerin spielt eine Schauspielerin. Der Filmstar nimmt die Produktionsmittel selbst in die Hand, und die dreht – während der Laufzeit dieses Films –, was der Titel sagt: ihr kleines Endspiel. Marie, an unentwegtes Betrachtetwerden gewöhnt, kehrt die Verhältnisse um, schaut nun direkt in die Kamera und zahlt es dem Zuschauer zurück.
Diese Mischung aus Video-Unmittelbarkeit und einer filmischen Selbstreflexivität, die bis in die Sechzigerjahre als Mittel materialistischer Authentifizierung funktioniert hat, bringt heute allerdings rein gar nichts mehr ein. Interessanter ist da schon der Knacks, der durch die nahtlos verplanten (Blick-)Verhältnisse geht. Es kann schon sein, dass dieser Film Frau Elsner auf den Leib geschrieben wurde. Zutreffender wäre jedoch, es so auszudrücken: Man ist in ihren Leib gefahren.
Man, das ist vor allem Bodo Kirchhoff, der sich als Drehbuchautor der weiblichen Hülle bedient, um mit seinem „Frauenfilm“ seltsame Identifikationen herzustellen. Wenn Hannelore Elsner ins Publikum blickt, dann hört man die Band ohne Namen singen: „I wanna be girl just for a day, I – I – I“. Ich hingegen hätte allerdings gern erfahren, worin für Kirchhoff oder Hirschbiegel eigentlich die Attraktivität ihres neugierigen Modells besteht.MANFRED HERMES
„Mein letzter Film. Regie: Oliver Hirschbiegel. Mit Hannelore Elsner, Wanja Mues, Deutschland 2002, 90 Min.
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