Mutige Anwältin zum Schweigen verurteilt

Die türkische Menschenrechtsanwältin Eren Keskin ist ab sofort mit einjährigem Berufsverbot belegt

FREIBURG taz ■ Die bekannte Istanbuler Menschenrechtsanwältin Eren Keskin ist mit einem einjährigen Berufsverbot belegt worden. Gestern beantragte sie dagegen vor Gericht eine einstweilige Anordnung. Doch auch die Entscheidung über den Eilantrag kann bis zu zwei Monate dauern, während der Eren Keskin nicht als Anwältin arbeiten darf. Damit verstummt eine Stimme, die seit Jahren Menschenrechtsverletzungen in türkischen Gefängnissen anprangert, vor allem die sexuelle Folter an Frauen.

Keskin, stellvertretende Vorsitzende des türkischen Menschenrechtsvereins IHD, hat 1997 in Istanbul ein Projekt gegründet, das in Haft vergewaltigten Frauen Rechtshilfe anbietet. Mehr als 150 Frauen haben sich seither an sie gewandt. Die Prozesse, in denen sie einige dieser Frauen vor Gericht vertritt, kann Keskin nun nicht weiterführen.

Ausgesprochen hatte das Berufsverbot die Nationale Anwältekammer in Ankara bereits im Juli. Jetzt wurde die Entscheidung der 43-jährigen Rechtsanwältin mit einer Bestätigung vom Justizministerium zugestellt und damit sofort gültig.

Das Verbot hat eine lange Vorgeschichte: Bereits im Februar 1997 war Keskin zu 13 Monaten Haft verurteilt worden, weil sie in einem Zeitungsinterview das Wort „Kurdistan“ verwendet hatte, was das Istanbuler Staatssicherheitsgericht als „Separatismus“ wertete. Die Haftstrafe wurde 1999 aufgrund einer Teilamnestie zur Bewährung ausgesetzt. Doch das Disziplinarverfahren bei der Anwältekammer lief weiter und endete nun mit dem einjährigen Entzug der Zulassung.

Es war nicht das erste und auch nicht das letzte Verfahren, mit dem türkische Gerichte der engagierten Anwältin die Arbeit erschweren. Eren Keskin nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie die alltäglichen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei anprangert und die dominante Rolle des Militärs in der Politik kritisiert. Das lieferte den Staatsanwälten immer wieder Gründe, sie etwa wegen „Aufstachelung zum Hass“ oder „Verleumdung des Militärs“ anzuklagen. 1995 saß sie sechs Monate in Haft. Gegenwärtig laufen mehr als hundert Verfahren gegen sie. Amnesty international hat unlängst eine Kampagne für sie gestartet.

ULRIKE SCHNELLBACH