Schilys flotte Asyl-Wende

Minister zieht Vorbehalt zurück: EU berücksichtigt jetzt auch Opfer nichtstaatlicher Verfolgung. Grüne sind stolz

BERLIN taz ■ Grünen-Chefin Claudia Roth hatte noch gestern Vormittag gewettert: „Das ist ein Vorstoß gegen den grünen Koalitionspartner, gegen den rot-grünen Koalitionsvertrag und gegen das Zuwanderungsgesetz!“ Ziel ihres Zorns: Der Vorbehalt von Innenminister Otto Schily (SPD) gegen die Berücksichtung von Opfern nichtstaatlicher Verfolgung in der aktuellen EU-Richtlinie zur Flüchtlingspolitik.

Auf Drängen der Grünen war im deutschen Zuwanderungsgesetz ein verbesserter Status etwa für Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung festgeschrieben worden. „Als Koalition muss man sich darauf verlassen können, dass unser Minister in Brüssel vertritt, was in Berlin beschlossen wurde“, sagte Roth deshalb der taz. Auf taz-Anfrage erklärte jetzt das Bundesinnenministerium: Schily hat seinen Vorbehalt zurückgezogen.

An Roths Einspruch soll es nicht gelegen haben, betont allerdings Sprecher Rainer Lingenthal. Schily habe im Interesse einer europäischen Harmonisierung des Asylrechts gehandelt, und das auch schon am Donnerstag auf der Sitzung der EU-Innenminister in Brüssel. „Es wäre besser gewesen, Claudia Roth hätte den Minister angerufen, statt ihn anzugreifen“, sagte Lingenthal, „dann wäre sie besser informiert und würde sehen, dass ihre Vorwürfe haltlos sind.“ Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen Volker Beck lobte, letztlich habe sich Schily entsprechend der Linie des Zuwanderungsgesetzes verhalten. Der Grüne betonte aber auch: „Auf diese Linie haben wir gedrungen in der Koalition.“

Flüchtlingsorganisationen hatten vor der Sitzung in Brüssel Alarm geschlagen, weil der deutsche Vorbehalt in dem Entwurf der Richtlinie noch enthalten war. Schily hatte überdies angekündigt, er müsse sich noch mit den Bundesländern abstimmen. Roth wandte dagegen ein: „Wir haben einen jahrelangen Konsultationsprozess gehabt, und das Ergebnis ist das Zuwanderungsgesetz.“ Flüchtlingsorganisationen hatten Schily verdächtigt, sich hinter Bedenken unionsregierter Länder zu verstecken. PATRIK SCHWARZ