Calle ist der Größte

Alle zwei Wochen sorgt „Das Montag“ in der Bremer taz für Begeisterung, manchmal auch für herben Redaktionszoff. Jetzt stellt Carl Heinz Otto Schäfer, genannt Calle, seine gesammelten Werke aus

Calle ist 2,01 Meter groß, er ist jetzt 42 Jahre alt und er fängt an, über sein Alterswerk nachzudenken. „Ich will auch noch mal malen“, sagt er, „das habe ich mir schon vor langer Zeit vorgenommen, und das werde ich auch machen.“ Das wäre dann allerdings die sechste Leidenschaft, der er – neben dem Zeichnen, Fotografieren, Designen, Dichten und Musizieren – frönen würde.

„Ich kann ganz viel, aber ich kann mich nicht entscheiden“, beschreibt Calle sein persönliches Multi-Talent-Drama. Und: „Wenn mir einer einen Job anbieten würde, das wäre eine Entscheidungshilfe für mich.“

Einmal allerdings, da hat er sich in seinem Leben ganz doll entschieden. Gegen eine Karriere als Zahntechniker und gegen das dazugehörige halbe Haus, das er damals in Elsfleth, seinem Geburtsdorf an der Weser, bewohnte. Er hat gekündigt, gezeichnet, in der Kneipe gearbeitet – und dann hat es doch nicht gleich gereicht zum Grafik-Design-Studium an der Bremer Hochschule für Künste. Also erst ein Studium an der Fachoberschule, dann endlich an die Hochschule und dann auch gleich den Förderpreis des Bundes freischaffender Fotodesigner für seine Diplom-Serie „Paarungen“ abgeräumt. Es folgten Stippvisiten bei renommierten Werbern, zuletzt beim „Goldenen Hirschen“ in Hamburg.

Die Kombination von Wort und Bild ist das Markenzeichen der Montags-Serie, die alle zwei Wochen die Schlagseite der taz bremen rechts oben ziert. „Zugpferd Guido (gerne 18) auf Mückenfang: Scheiße unterm Autoreifen gibt beim Bremsen braune Streifen“ variiert er den Kinderspruch auf die FDP mit Möllemann-Problem. Das Bild dazu zeigt einen Umzugskarton auf vier Klorollen, davor zwei Sandaletten mit steifen weißen Socken drin, dazwischen einen Ständer mit sauber gebundener Krawatte, darüber einen dieser Zierkürbisse – auf den zweiten Blick als fiese Anspielung auf Westerwelles aknöses Antlitz erkennbar. Genial finden das viele.

Und doch wird nicht jedem warm um’s Herz bei den liebevollen Arrangements, die kleine Plastikpüppchen beim Geschlechtsverkehr in einem Nest aus Haupthaaren zeigen. Oder den Adventskränzen mit zwei hochhausförmigen Kerzen. Nicht ein jedeR ist halt bereit, den Gehirnwindungen des Künstlers bei der Abzweigung Kreativität zu folgen.

Manchmal hängt er einen auch einfach ab. Und dann sitzt Montag morgens eine ratlose Redaktion im Konferenzraum und murmelt: „Ich hab‘s glaub ich wieder nicht verstanden“. Alle zwei Wochen am Montag wird Zeitung Gucken zum kollektiven Erlebnis. Gurken-Pokale und Gelbe Säcke mit aufgeblasenen Luftballons drin werden interpretiert, Sprachschöpfungen (“Gerhard Marck`s gewöhnlich“) beurteilt, Kunstgeschichte wird gelehrt (“Die Nackte ist ein Ready-made“), Grenzen werden verhandelt (“Ich will das trotzdem nicht in unserer Zeitung sehen“). Und in regelmäßigen Abständen schaukeln sich Gegner und Freunde des „Montags“ bis zu Tagesordnungspunkten auf dem Plenum auf. Dann werden Fotografinnen zu Furien und PolitikredakteurInnen zu ziselierten VertreterInnen von Kunstrichtungen, die sie zwölf Stunden vorher selber nicht gekannt haben. Alles für, alles gegen Calle.

Elke Heyduck

Vom Stoff, aus dem Konflikte sind, kann man sich in den nächsten Wochen selbst ein Bild machen. Von 4. bis 15. Dezember stellt C.H.O. Schäfer im Fehrfeld 58 aus. Dienstag - Freitag 18 bis 21 Uhr, Samstags 12 - 17 Uhr, Sonntags 14 bis 17 Uhr