Spielfilme statt Nachrichten

Der Streik beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen France 3 geht in die vierte Woche. Und dürfte bald vorbei sein. Denn die Gewerkschaften sind arm. Und Frankreichs Regierung setzt ganz auf Privat-TV

aus Paris DOROTHEA HAHN

Keine harten Fakten aus der Welt der Politik, sondern bunte Unterhaltung: So flimmert es seit Mitte November über den zweitgrößten öffentlich-rechtlichen Fernsehkanal des Landes. Denn die über 2.000 Personen starke Belegschaft – darunter 1.400 Journalisten – ist im Streik. Für höhere Löhne und für die Festanstellung der immer zahlreicher werdenden Teilzeit- und befristet Beschäftigten. Aber auch gegen die schleichende Privatisierung des Fernsehens in Frankreich. Gestern, am 20. Streiktag, fiel das Votum in der Mehrheit der Vollversammlungen bei France 3 erneut für eine Verlängerung des Arbeitskampfes aus.

Mit Sparpolitik in ihrem Sender sind die Beschäftigten von France 3 bereits seit Jahren konfrontiert. Begründet wurde sie unter anderem mit den großen Ausbauplänen im TV-Bereich, für deren Umsetzung massive Mittel reserviert werden sollten. 30 neue Kanäle sollen in den kommenden Jahren in Frankreich entstehen. Darunter sind allein im öffentlich-rechtlichen Bereich ein neuer Info-Kanal, acht komplett autonome regionale TV-Sender und ein Familienkanal geplant.

Seit dem Regierungswechsel in Paris hat sich die Perspektive verschoben. Zwar behauptet der neue Kulturminister Jean-Jacques Aillagon, er halte an den Ausbauplänen des französischen Fernsehens insgesamt fest. Doch nun ist von neuen öffentlich-rechtlichen Kanälen keine Rede mehr. Dafür versichert der Minister ausdrücklich, seine Regierung wolle den öffentlich-rechtlichen Dienst „im gegenwärtigen Rahmen“ erhalten. Zusätzlich präzisiert der Haushaltsberichterstatter im französischen Parlament, die Lohnmenge in den öffentlich-rechtlichen Medien müsse um 40 Prozent sinken.

Die Beschäftigten der staatlichen Sender interpretieren die Absichten der Regierung so, dass sämtliche – oder fast alle – neuen Kanäle dem privaten Rundfunk zugeschlagen werden sollen. Denn für private TV-Betreiber kündigt sich – der Werbekrise zum Trotz – ein neuer Geldsegen an. Bislang nämlich durften die großen Einzelhandelsunternehmen nicht im landesweiten Fernsehen werben, um den Regionalzeitungen sichere Werbeeinnahmen zu garantieren. Doch die bevorstehende Umsetzung einer EU-Regel wird künftig auch den Supermärkten die Tür ins Fernsehen öffnen.

Für die meisten Beschäftigten der öffentlich-rechtlichen Sender steht fest, dass die Zukunft auf dem Spiel steht. Mitte November, nachdem die Verhandlungsangebote der Gewerkschaften unbeantwortet blieben, trat die France-3-Belegschaft in den Streik. In den ersten Tagen streikte France 2 (siehe Kasten) mit – dort sind die Zukunftsängste ähnlich.

Kulturminister Aillagon, der für die öffentlich-rechtlichen Medien verantwortlich ist, hat sich bislang öffentlich nicht weiter eingemischt. Die Belegschaft des Senders sei schlecht informiert, so sein einziger lapidarer Streikkommentar. Umgekehrt kommt heftige Kritik aus der Senderbelegschaft an seiner Regierung. „Sie schwächt das öffentlich-rechtliche Fernsehen, in dem sie ihm die nötigen zusätzlichen Mittel verweigert“, erklärt Thierry Will, Generalsekretär der größten Journalistengewerkschaft SNJ.

Neben den Zukunftsängsten bereitet der Belegschaft die Aushöhlung ihrer Arbeitsverhältnisse Sorgen. Seit Jahren hat France 3 – genau wie zahlreiche andere Sender – die Produktion von bislang hauseigenen Magazinen an private Firmen ausgelagert. Das sei eben billiger, argumentiert die Direktion. Bei France 3 freilich fallen dadurch Arbeitsplätze weg – vor allem in Technik und Verwaltung.

Am Wochenende, nach mehr als zwei Streikwochen, legten die France-3-Direktoren ein erstes Kompromissangebot vor. Darin zeigt sie erstmals die Bereitschaft, über eine „Reintegration“ von ausgelagerten Produktionen und über die Zukunft der Regionalredaktionen von France 3 zu diskutieren. In Fragen der Anstellungsverhältnisse und der seit Jahren eingefrorenen Löhne gibt es aber weiterhin keine Annäherung. Vielen Beschäftigten von France 3 reicht das nicht. Zumal die Streikenden bereits einen Lohnausfall von drei Wochen verkraften müssen. In Frankreich sind die Gewerkschaften arm. Besondere Streikkassen wie in Deutschland gibt es nicht. Die Rückkehr zu den Nachrichten bei France 3, die sich daher für die nächsten Tage ankündigt, wird für viele bitter werden.