Gerster kontra Armutskonferenz

Hartz-Reformen: Wer soll zahlen? Die Firmen oder die Arbeitslosen? Das ist weiterhin eine Frage der Perspektive

BERLIN taz/ap ■ Die Diskussion um den Arbeitsmarkt geht ungebrochen weiter: Florian Gerster, Chef der Arbeitsämter, forderte, die 325-Euro-Jobs künftig von allen Abgaben zu befreien. Bisher werden pauschale Sozialversicherungsbeiträge fällig, die die Unternehmen abzuführen haben. Als Gegenfinanzierung schlug Gerster vor, die indirekten Steuern zweckgebunden zu erhöhen.

Damit wich Gerster erneut von den Vorschlägen der Bundesregierung ab. Super-Arbeitsminister Clement will geringfügige Beschäftigung nur in Privathaushalten erleichtern – zudem sollen weiterhin zehn Prozent Sozialabgaben anfallen. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt wiederum forderte, das Arbeitslosengeld zu kürzen. Es solle auf zwölf Monate begrenzt und schon ab dem sechsten Monat stufenweise reduziert werden. Die Arbeitslosen- und Sozialhilfe müsste auf Sozialhilfeniveau zusammengeführt werden.

Zeitgleich warnte die Nationale Armutskonferenz (NAK) vor den geplanten Arbeitsmarktreformen. Die angestrebten Einsparungen in Höhe von insgesamt 5,84 Milliarden Euro – davon 2,48 Milliarden Euro bei der Arbeitslosenhilfe – würden die Armut in Deutschland weiter verschärfen. „Die Kürzungen treffen vor allem Familien und insbesondere Frauen, weil Partnereinkommen und Vermögen noch stärker als bisher berücksichtigt werden.“ Anders als Arbeitsamtchef Gerster fürchtet die NAK eine Ausweitung der Minijobs: Für die Arbeitgeber seien sie konkurrenzlos billig, die Arbeitnehmer würden hingegen massiv an Einkommen und an sozialer Absicherung verlieren. Die NAK prognostiziert „amerikanische Verhältnisse“ und „working poor“.

Derweil formieren sich Protestbündnisse. So wird über Demonstrationen für den 20. Dezember nachgedacht, dem weltweiten „Tag des sozialen Protestes“ (www.labournet.de). SOL