„Ich entschuldige mich“

Al-Quaida-Prozess: Zeuge widerruft Aussage, er sei von der Polizei mit Folter bedroht worden. Verteidiger von El Motassadeq fordert Einstellung des Verfahrens

Im Al-Quaida-Prozess hat gestern ein 22 Jahre alter Libanese seine frühere Zeugenaussage über ein Treffen mit mutmaßlichen Terroristen in Afghanistan korrigiert. „Ich habe gelogen, ich entschuldige mich für mein Verhalten“, sagte der Mann vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht. Er widerrief auch seine Aussage vom 20. November vor Gericht, dass er bei Polizeiverhören mit Folter bedroht worden sei.

Der gestern mit einem Rechtsanwalt als Beistand im Gericht erschienene Zeuge sagte, er habe die Folterdrohungen erfunden. Seine damalige Aussage im Polizeiverhör, er habe im September 2001 in einem Al-Quaida-Lager in Afghanistan die gesuchten mutmaßlichen Terroristen Ramzi Binalschibh, Said Bahaji und Zakariya Essabar getroffen, sei richtig. Zu dem Angeklagten Mounir El Motassadeq machte er keine Angaben. Der Marokkaner ist der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Beihilfe zum Mord in mehr als 3000 Fällen angeklagt.

Im Polizeiverhör hatte der Libanese erklärt, nach seiner Rückkehr aus Afghanistan sei er in Hamburg bedroht worden, ihm werde etwas passieren, wenn er aussagen sollte. Vor Gericht wollte der Zeuge weder am 20. November noch am Dienstag davon etwas wissen. „Das mit der Bedrohung habe ich erfunden, um weniger Druck bei der Polizei zu haben“, sagte der Libanese.

Ein Vernehmungsbeamter des Bundeskriminalamtes (BKA) bestätigte dagegen gestern als Zeuge, der 22-Jährige habe von einer Bedrohung berichtet. Später habe er den Mann, der ihn angesprochen hatte, sogar beschrieben. Dann habe der 22-Jährige den Polizisten gefragt, ob er von der Bedrohung möglicherweise später auch vor Gericht erzählen müsse. „Ich sagte ja und sein nächster Satz war dann: Es hat nie eine Bedrohung gegeben“, erinnerte sich der BKA-Beamte gestern.

Zu Beginn des Verhandlungstages hatte die Verteidigung die Einstellung des Verfahrens gegen El Motassadeq gefordert. Nachdem die US-Behörden eine Vernehmung Binalshibhs durch das Hanseatische Oberlandesgericht abgelehnt hatten, sei „ein faires Verfahren nicht mehr möglich“, sagte Verteidiger Hartmut Jacobi: „Die Aussage Binalshibhs ist unerlässlich für den Beweis von Schuld oder Unschuld unseres Mandanten.“

Friedhelm Schachtschneider