Liebe macht Fieber

Nachhaltig körperlich: Christoph Burtschers fotografische Annäherung an ein Leben mit HIV im Schwulen Museum

Stramme Körper, pralle Schwänze, gierige Blicke. Von allen Seiten springt dem Besucher das lüsterne Fleisch förmlich von den Wänden entgegen – eine Männer-, Fleisch- und Dödel-Parade erwartet derzeit die Besucher des Schwulen Museums. Geht man aber vom großen Ausstellungsraum ins Seitenkabinett, kommt man in eine Fotoausstellung, die kontrastreicher nicht sein könnte: „Es kann sein, dass ich Fieber habe, wegen mir und wegen dir, einfach Liebe …“, so ihr Titel. 33 nüchtern und klar gehängte, gleichformatige, quadratische Farbfotografien. 33 Momentaufnahmen aus einem Leben mit HIV und Aids.

Wo nebenan die Gier nach schwitzenden, geilen Leibern und Körperflüssigkeiten als Ausdruck von Lebenslust bildnerisch simuliert wird, zeigt hier der Berliner Fotograf Christoph Burtscher einen völlig anderen, nachhaltigeren Umgang mit Körperlichkeit. Eine Urinprobe, eine geöffnete Medikamentendose, vertrocknete Blumen in einem Krankenhauspapierkorb. Burtscher hat diese drei Objekte frontal von oben fotografiert. Drei beinahe abstrakte Bilder von fast identisch großen Kreisen. Die formale Strenge, mit der Burtscher seine Fotoserie durchkomponiert hat, steht dabei keineswegs im Widerspruch zu der menschlichen Tragik, den allenfalls zu erahnenden persönlichen Leiden, Verlusten und Gefühlen hinter den Bildern. Weil er auf Gesichter konsequent verzichtet und allenfalls Körperteile aufgenommen hat, bleiben die Fotografien trotz aller Individualität allgemeingültig.

Burtschers Bilder zeigen Piss- und Kotflecken auf dem Laken und den Sitzreifen auf der Toilette – und erzählen vom Verlust der grundlegendsten Körperfunktionen, von den Schmerzen eines geschundenen Leibes, dem der Klodeckel ohne Polsterung zu hart wäre. Gleich viermal ist das Motiv einer Armbeuge zu sehen – mindestens viermal jährlich müssen sich HIV-positive Menschen einer Blutuntersuchung unterziehen.

Dann wieder Stilleben von einem Plüschtier, ein Souvenir aus dem Urlaub, Blumen. Die letzten Reste Privatsphäre im aseptischen Krankenhaushauszimmer, Erinnerungsfetzen an ein Leben vor der Krankheit, vor dem Zerfall. Verlässt man das Ausstellungskabinett, kommt man unweigerlich wieder an den Pornoinstallationen vorbei. Plötzlich wirken diese Fotos tatsächlich obszön. AXEL SCHOCK

Bis 17. 2., Schwules Museum, Mehringdamm 61, Kreuzberg; täglich außer Di. 14–18 Uhr, Sa. 14–19 Uhr