Auch unter Preisgabe der Wahrheit

Filme zu Krieg und seiner Propaganda: Die Dezember-Reihe des B-Movie startet in dieser Woche mit drei Dokumentationen: „Es begann mit einer Lüge“, „Der Golfkrieg und die Medien“ und „Die Kinder von Bagdad“

Im so genannten „Krieg mit Informationen“ ist die Falschmeldung mehr als erlaubt

von DORO WIESE

Die unschuldigsten Opfer sind bekanntlich Kinder. Deshalb wird gern auf ihren Symbolgehalt zurückgegriffen, wenn es gilt, Parteilichkeit herzustellen. Sie geraten in die Schlagzeilen, um die Unmenschlichkeit von Kriegsparteien darzustellen – und die internationale Öffentlichkeit in bewaffneten Konflikten zur Positionierung zu bringen. Das irakische Regime habe Giftgas zur Ermordung seiner BürgerInnen eingesetzt, verlautbarte beispielsweise der US-Präsident Bush in seiner diesjährigen Rede zur Lage der Nation. Dabei seien „die Körper der Mütter über den toten Kindern liegen gelassen“ worden.

Kein Wunder, dass der „Schurkenstaat“ Irak im Anschluss an dieses Bild von Bush zur „Achse des Bösen“ gezählt werden kann, ohne dass ihm die westlichen Gesellschaften in den Rücken fallen. Eine militärische Intervention gegenüber dem Irak erscheint bei dererlei Gräueltaten mehr als gerechtfertigt. Weshalb von der US-Regierung eingesetzte PR-Agenturen ähnliche Geschichten auch unter Preisgabe der Wahrheit lancieren: Im so genannten „Krieg mit Informationen“ ist die Falschmeldung nicht nur erlaubt, sondern wird im US-amerikanischen „Büro für strategische Beeinflussung“ gezielt geplant.

Dabei gibt es viele Geschichten aus Kriegsgebieten und über Kriegberichterstattung zu erzählen, wie die Dezember-Filmreihe des B-Movie „No Blood for Oil“ zeigt. Die Hintergrundberichte und Analysen der Reihe verdeutlichen, dass das in den letzten Jahren forcierte Strickmuster des „guten, befreienden, legitimen“ Nato-Kriegs ein falsches Bild hervorbringt. „Kein Krieg ohne Opfer in der Zivilbevölkerung“, lautet die Botschaft der Filme.

So macht beispielsweise Uwe Sautermanns Dokumentarfilm Die Kinder von Bagdad, der die Reihe jetzt mit zwei weiteren Filmen eröffnet, auf die Folgen des zweiten Golfkriegs aufmerksam. Die vom US-Militär damals eingesetzte Uranmunition verseuchte nicht nur ganze Landstriche, sondern ließ die Krebs- und Leukämierate von Kindern um ein Vielfaches ansteigen. Notwendige Medikamente kommen aufgrund des Wirtschaftsembargos oftmals nicht ins Land, so dass die Kinder sterben müssen, selbst wenn sie an Krankheiten leiden, die prinzipiell heilbar sind.

Einfache Dinge wie Chlor zur Desinfektion von Wasser oder Material für Strahlen- oder Chemotherapie können nicht importiert werden, weil sie auch zur Waffenherstellung benutzt werden könnten. Sautermann ging in irakische Krankenhäuser und filmte die sterbenden Kinder, die Zuschauenden zur Wahrnehmung der Kehrseite des „ersten Verteidigungskriegs“ zwingend.

Die Dokumentation Es begann mit einer Lüge wendet sich jenen kriegstiftenden Unwahrheiten zu, die zur Legitimation einer deutschen militärischen Beteiligung am Kosovo-Krieg gezielt verbreitet wurden. Wenn Filmemacher Jo Angerer aufzeigt, welche Schauermärchen über serbische Gräueltaten in der deutschen Öffentlichkeit verbreitet wurden, obwohl im Kosovo eingesetzte UN-Experten zu ganz anderen Ergebnissen kamen, werden deutsche Politiker zu unübertrefflichen Lügenbaronen. Mit Hilfe von Falschmeldungen über serbische Konzentrationslager und Massaker in der Zivilbevölkerung wurde die deutsche Bevölkerung auf einen Krieg eingestimmt, der weit mehr Opfer kostete als der zuvor herrschende Bürgerkrieg.

Die nachträgliche Rekonstruktion lässt zudem deutlich ein kollektives Imaginäres hervortreten, das auf eine Entschuldung von Auschwitz hinausläuft. Denn als angebliche Befreier tauchen deutsche Soldaten im Kosovo auf, zur Verhinderung eines Völkermords, den es nie gab oder gegeben hätte, so dass der Kriegseinsatz unweigerlich der falschen Vergangenheitsbewältigung dient.

Doch selbst zum Schutz der Zivilbevölkerung ist Krieg kein geeignetes Mittel. Vielmehr fordert es Opfer und dient Interessen, die nicht aufgedeckt werden: Deshalb gilt es, als Öffentlichkeit kritisch zu fragen, was hinter den öffentlich gezeigten Bildern liegt (siehe auch Querschnitt Seite 1).

Es begann mit einer Lüge, Der Golfkrieg und die Medien, Die Kinder von Bagdad: Do + So, 20.30 Uhr, Sa, 20.30 Uhr + 22.30 Uhr; Manufacturing Consent: Do, 12., Sa, 14. + So, 15.12., 20.30 Uhr; The Hidden Wars of Desert Storm: Do, 19. + So, 22.12., 20.30 Uhr, Sa, 21.12., 20.30 Uhr + 22.30 Uhr, B-Movie