: Am liebsten interventionistisch
Bündelung unterschiedlicher Szene am „schwierigen Ort“: Flimm-Schüler Matthias von Hartz startet im Schauspielhaus mit „go create TM resistance“ neue Veranstaltungsreihe zur Globalisierung – als kritische „Lagebesprechung“ gedacht
von CHRISTIANE MÜLLER-LOBECK
Politisches Theater in Hamburg? Das gibt es nur von außen. Wenn zum Beispiel das Festival Politik im Freien Theater auch einmal in Hamburg stattfindet. Gegen die selbst verordnete Langeweile der maßvollen Toleranz, die von den Volksvertretern derzeit unter Radikalitätsverdacht gestellt wird, hilft solch pädagogisches Programm nur bedingt – zumal es von der Bundeszentrale für politische Bildung ausging. Und wenn ein Schlingensief mal das Schauspielhaus besucht, um Trompetenstöße abzugeben, verhallen sie in autoritätsfixierten Appellen.
Ganz anders sieht das an der Berliner Volksbühne aus. Neben dezidiert politischem Theater à la Castorf ist dort längst regelmäßig ein Format im Spielplan, das Gruppen aus den Grenzbereichen von Performance, Kunst, Musik und aktivistischer Politik selbst zusammenstellen. Ein wenig in diese Richtung gehen in Hamburg einzig die Galas des Golden Pudel Klub.
Die nun vom Flimm-Schüler Matthias von Hartz initiierte Veranstaltungsreihe „go create TM resistance“ bewegt sich daher auf überhaupt nicht eingedeichtem Gelände. Einmal im Monat soll das Schauspielhaus zum Forum aktueller Auseinandersetzungen rund um das Thema „Globalisierung“ werden. Zu Performances, kleinen Vorträgen, Filmen und Diskussionen hat von Hartz Aktivisten der Globalisierungskritik eingeladen, zur „Lagebesprechung“, so der Veranstaltungsflyer.
Als von Hartz dieses Frühjahr in Hamburg, ebenfalls am Schauspielhaus, Andreas Sauters und Bernhard Studlars A ist eine Andere inszenierte, konnte man meinen, der zusammen mit Sandra Strunz, Nicolas Stemann und Falk Richter zur Hamburger Schule hochstilisierte Jungregisseur habe sich nach einem anfänglichen Klassikerverriss (Das Käthchen von hinten) und einem Versuch, die passive Zuschauerhaltung im Theater aufzuheben (Lost & Found) mehr und mehr zum szenischen Inszenieren entschlossen. Dafür sprach schon seine 2001 auf Kampnagel aufgeführte Umsetzung von Sibylle Bergs morbidem Debütroman Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot.
Doch nun hat von Hartz eine Kehrtwende beschlossen: „Für dieses Jahr hatte ich mir vorgenommen, drei Sachen auszuprobieren und dann zu schauen, was ich davon weiterverfolgen möchte: ein richtiges Stück – das war A ist eine Andere –, eine Performance à la Schlingensief – das habe ich in Luzern mit dem „Trainingscamp für Globalisierungskritiker“ gemacht – und eine Installation, das war Mobile Home – Zuhause in der New Economy in Düsseldorf. Ich habe dann gemerkt, dass ich am liebsten mit interventionistischen Sachen weitermachen möchte.“
Vom Schauspielhaus, einem „schwierigen Ort“, wie er zugibt, verspricht sich von Hartz für seine Veranstaltungen eine “Erweiterung, vielleicht sogar Bündelung“ der unterschiedlichen Szenen, die in Hamburg globalisierungskritische Positionen einnehmen. Außerdem könne man dort auch ein anderes Publikum erreichen, das andere Orte, an denen regelmäßig politische Veranstaltungen stattfinden, normalerweise nicht aufsuche.
Den Anfang macht an diesem Sonnabend eine Veranstaltung zu Krieg: „Images of War – Bilder des Krieges gegen das Böse“. Vorwiegend unter medienkritischen Gesichtspunkten sollen die Folgen des 11. September auf unterschiedliche Weise ausgeleuchtet werden. Der Berliner Performer Jörn J. Burmester zeigt an diesem Abend seine Performance-Lecture God Fuck No – Von der Ich-AG zur Ich-Armee mit Videofragmenten; die Filme War Photographer und News Time bringen zur Ansicht, was wir nicht einmal von so genannten Low Intensity Wars normalerweise im Fernsehen zu Gesicht bekommen. Und die Tübinger Kulturwissenschaftlerin Susanne Regener untersucht die Produktion der „Gesichter des Bösen“ anhand von Medienbildern. Dazu gibt es für die Besucher interaktives Bullriding und das Videospiel Americas Army.
Empfohlen wird der anschließende Besuch des Konzerts der Sam Ragga Band (siehe Querschnitt Seite 4). Im Januar folgt die Veranstaltung „Globalisierung für Anfänger – Was wir vom Neoliberalismus lernen können“. Geplant sind Abende zur „Ökonomisierung sozialer Systeme“ (Februar) und zu „Öffentlichen Räumen“ (März), „das wird vielleicht sogar ein Themenwochenende,“ sagt von Hartz, „ich bin jetzt schon im Gespräch mit Gruppen in Hamburg, die seit langem dazu arbeiten“.
Sonnabend, 20 Uhr, Schauspielhaus
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