Alles auf eine(r) Karte

Elektronische Bustickets, bargeldlos Einkäufe bezahlen und das Auto mit anderen teilen: Das will die Bremer Umweltsenatorin im Rahmen eines EU-Projekts in Bremen fördern

Bremens Carsharing hat Vorbildfunktion für London und Bukarest„Wir haben nichts gegen Autos, nur wenn es zu viele sind, fängt es an zu stinken.“

Ein possierliches Fabelwesen haben sich Umweltsenatorin Christine Wischer (SPD), die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) und der Carsharing-Anbieter Cambio da ausgedacht: Ein Schweinekopf auf einem wolligen Schafsrumpf, am Bauch ein Euter, die Füße gehören einer Gans und der Bürzel stammt vom Huhn. Diese schon so oft zitierte „eierlegende Wollmilchsau“ solle die „Multifunktionalität“ der gestern neu vorgestellten „Bremer Karte Plus“ symbolisieren, sagte Christine Wischer im Rahmen der internationalen Konferenz „Public Transport and Car-Sharing“.

Die bunte Plastikkarte sieht aus wie viele anderen Karten auch: Sie hat den üblichen sichtbaren goldenen Geldspeicher-Chip. Die aufgedruckten Bildchen – ein Autokennzeichen und das Richtungsschild einer Straßenbahn der Linie Zwei nach Sebaldsbrück – veranschaulichen, worum es geht: die Verbindung von Auto und ÖPNV.

Wer die neue Plastikkarte besitzt, kann damit drei, eigentlich nur zwei Dinge tun: mit der Geldkarten-Funktion in Bussen und Bahnen oder in rund 200 Bremer Läden bezahlen. Oder mit der gleichen Karte Autos aufschließen. Denn das „Plus“ im Namen steht für einen Vertrag mit dem Carsharing-Anbieter „Cambio“, den man beim Kauf gleich mit abschließt. Dann braucht man keine eigene Karte mehr fürs Miet-Auto. Kurz: Aus zwei mach eins.

Steht man vor dem Hightech-Leih-Auto, legt man die Karte einfach unten links auf die Windschutzscheibe, um die Autotür zu öffnen. Das funktioniert über eine nicht sichtbare Antenne, die ins Plastik eingearbeitet ist. Joachim Schwarz von Cambio und BSAG-Vorstand Georg Drechsler werben für den Mehrfachnutzen: „Wenn mal die Autotür klemmt, haben Sie die Geldkarte, um mit der Bahn nach Hause zu fahren“, sagt Schwarz.

Tatsächlich hält sich damit der Neuigkeitsfaktor in Grenzen: Denn „Chippen“ – also elektronisch Fahrkarten kaufen – konnten die BremerInnen in Bussen und Bahnen schon seit Ende 2001. Dafür hatte die BSAG bis zum 17. Dezember letzten Jahres über 200 Verkaufsstellen, 128 Straßenbahnen und rund 250 Busse mit kleinen blauen Kästen und Touch-Screen ausgestattet. Kostenpunkt: 5,11 Millionen Euro. Um sie zu nutzen, braucht man eine Geldkarte. Im Oktober 2002 kauften die Fahrgäste an den Geräten in Bus und Bahn 12.000 Tickets. Dem steht allerdings eine monatliche Gesamtzahl von 400.000 verkauften Fahrscheinen bei der Bremer Straßenbahn gegenüber. Laut BSAG-Pressesprecher Jens-Christian Meyer peilt das Transportunternehmen an, bis Ende dieses Jahres fünf Prozent aller Karten an den Touch-Screens bargeldlos zu verkaufen. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Denn nach einer repräsentativen Befragung von 300 BremerInnen konnten zwar 89 Prozent etwas mit dem Begriff „Geldkarte“ anfangen, aber nur 57 Prozent kannten das „Chippen“.

Das Trio aus Umweltressort, BSAG und Cambio bekommt für sein Wappentier und die Bemühungen um „nachhaltige Mobilität“ Unterstützung aus Brüssel. Immerhin scheint Bremen mit seinem Konzept, ÖPNV und Carsharing zu verflechten, weit vorn in der EU zu liegen. Zum Beispiel würde nach Bremer Vorbild jetzt im belgischen Namur, in London und im kommenden Jahr in Bukarest Carsharing eingeführt, freute sich David Miles, Mitarbeiter der EU-Kommission.

Auch der Generalsekretär des Internationalen Verbandes für öffentliches Verkehrswesen (UITP), Hans Rat, äußerte sich lobend über das neue Projekt. Der öffentliche Nahverkehr müsse in Zukunft „das ganze Mobilitätsspektrum“ anbieten statt nur Busse und Bahnen, und er versicherte: „Wir haben nichts gegen Autos, nur wenn sie zu viele sind, fängt es an zu stinken.“

Ulrike Bendrat