Freies Risiko

Weil mit dem Kita-Gutscheinsystem Pleiten drohen, schiebt der Senat der städtischen Vereinigung 11,5 Millionen Euro zu. Freie Träger gehen leer aus

„Die Vereinigung ist der ärmste Träger. Sie hat null Vermögen“, sagt Kita-Amtschef Näther

von KAIJA KUTTER

Die städtische „Vereinigung der Hamburger Kindertagestätten“ soll eine „Verpflichtungsermächtigung“ (VE) über 11,5 Millionen Euro bekommen, um die Umstellung auf das Kita-Gutscheinsystem zu überstehen. Das geht aus einer Senatsdrucksache hervor, die vom Haushaltsausschuss der Bürgerschaft verabschiedet wurde, ohne den zuständigen Jugendausschuss zu beteiligen.

„Damit lässt Senator Lange die Katze aus dem Sack. Das neue System wird zu Verlusten bei den Trägern führen“, sagt der SPD-Jugendpolitiker Thomas Böwer. „Wenn Lange seinen städtischen Träger mit einem Polster ausstattet, muss er das für die übrigen freien Träger auch tun.“

Wie berichtet, soll ab August 2003 das so genannte „nachfrageorientierte System“ gelten. Kita-Träger bekommen nur noch Geld für eingelöste Gutscheine. „Ein rückwirkender Ausgleich von Fehlbeträgen“, wie bisher im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen zwischen Stadt und Trägern üblich, werde „künftig nicht mehr möglich sein“, heißt es in dem Papier. Die Vereinigung soll ohnehin zum 1. Januar 2004 in eine gemeinnützige GmbH verwandelt und mit Grundstückskapital ausgestattet werden. Die Ermächtigung soll von August bis Dezember und – falls die GmbH-Umwandlung länger dauert – auch darüberhinaus gültig sein. Da sowohl in 2003 als auch in 2004 von einem „gewissen Risiko ausgegangen werden muss“, reiche eine Bürgschaft nicht aus, begründet die Drucksache die Millionenspritze.

„Eine Bürgschaft erteilen sie, wenn man glaubt, dass nicht gezahlt werden muss. Bei einer Verpflichtungsermächtigung geht man davon aus, dass echtes Geld fließen muss“, erklärt Böwer. Und dass es beim Kita-Systemwechsel zu Platzabbau und Schließungen kommt, steht außer Frage. Die Senat selbst spricht von „Einnahmeausfällen“ und „Verlagerung von Raum und Personal“, weil die Kita-Plätze woanders nachgefragt werden. Diesen „neuen Marktbedingungen“ müsse sich auch der städtische Träger stellen. Dennoch müsse man diesen „von den Rahmenbedingungen“ her mit freien Trägern gleichstellen.

„Die Vereinigung ist der ärmste Träger, weil sie null Vermögen hat“, sagt dagegen Kita-Amtschef Jürgen Näther. Während die Wohlfahrtsverbände Grundstücke besäßen, habe die Vorgängerin der ‚Vereinigung‘ diese im Nationalsozialismus an die Stadt abgegeben und nie wiederbekommen. Die 11,5 Millionen Euro seien eine „Sicherheit“ um Insolvenz zu vermeiden.

„Die Vereinigung ist doch von den Rahmenbedingungen her mit den freien Träger gleichgestellt. Das haben wir nach langen Verhandlungen festgestellt“, sagt Norbert Keßler von der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (AGfW), der den Vorgang „verurteilt“: „Wer fragt denn, welche Rücklagen freie Träger haben?“ Seit Monaten mahne er, „an die kleinen Kitas zu denken. Für die muss ein Puffer bereitstehen. Aber da hat sich nichts bewegt.“ Die Vereinigung sei mit 40 Prozent Marktanteil sehr wohl in der Lage, Personal flexibel zu verschieben, „eine kleine Einrichtung kann das nicht“. Die AGfW prüft nun gar eine Klage wegen „Wettbewerbsverzerrung“.