was macht eigentlich ...der Nikolaus?

Eltern terrorisieren

Eigentlich war er ja Grieche. Im heutigen Westanatolien lebte der Heilige Nikolaus und trug als Bischof nicht Zipfelmütz’ und Sack, sondern Mitra und Stab. „Gütig“ soll er gewesen sein, sehr viel mehr weiß man nicht. Doch, eines noch: 345 starb der Kirchenmann – am 6. Dezember. Heute ist der Schutzpatron der Apotheker, Bäcker und Diebe kaum wieder zu erkennen. Die letzten 150 Jahre modelten ihn zu „Herrn Winter“ „Father Christmas“ oder gar „Väterchen Frost“. Aus dem asketischen Kleinasier ward ein pausbäckiger Gutmensch mit einem Sack voller Kinderwünsche.

Alles Maskerade. In Wahrheit ist Sankt Nikolaus ein bereitwilliger Knecht des Kapitals – und eine multiple Persönlichkeit dazu. Beispiele? Heute um 10:22 treffen zehn Rotmäntel mit dem ICE im Ostbahnhof ein, um ihren Sackinhalt an herangekarrte Kitakinder zu verteilen. Nachmittags treiben sich Stücker vier im Märkischen Viertel auf einer palmenbestandenen „Weihnachtsmann-Aktionsbühne“ herum. Auf den Gipfel treibt Sony das Santa-Business: Jungkonsumenten können ihren Eltern einen „singenden Techno-Weihnachtsmann“ aufs Funktelefon simsen: „Jingle Bells, Jingle Bells, hoho hoho ho!“ Die Alten sollen gefälligst die PlayStation2 kaufen, und wenn nicht, dann Rute. Versöhnlicher stimmt uns da ein anderer Zwischenstopp: Um 14 Uhr stiefelt der Bärtige nach Neukölln und spendiert den Kiezkindern – ganz interkulturell – Süßes zum muslimischen Zuckerfest, das diesmal auf seinen Tag fällt. Tja, ein bisschen Türke war er eben auch, der Nikolaus. CLP FOTO: AP