Wider die Routine

Monique Garbrecht-Enfeldt hat Leben und Training umgekrempelt. Jetzt startet sie in die Saison

BERLIN taz ■ Es war ein Abschied auf amerikanisch. Bevor Monique Garbrecht-Enfeldt den Flieger nahm, hinterließ sie im Utah Olympic Oval von Salt Lake City, ihrer neuen Heimbahn, noch schnell einen Zettel an der Pinnwand. Sie fühle sich wohl in der Mormonenstadt, hatte Garbrecht notiert, und dafür wolle sie allen Dank sagen. Liest eh keiner, dachte sie insgeheim. Doch die Reaktion auf ihre Botschaft an der Wand war enorm. Die Kollegen hatten der Berlinerin in typisch amerikanischer Weise geantwortet, dass sie sie fürchterlich vermissen werden. Doch damit nicht genug. „We love you“, übermittelten sie noch, fett unterstrichen. „Ich war gerührt“, erinnert sich die 33-Jährige an jene Begebenheit, die ihr bisher nicht untergekommen war. Und sie betreibt schon sehr lange Eisschnelllauf, über 15 Jahre. „Ich hab das noch nie erlebt, dass dir jemand im Team Danke sagt.“

Es hat sich einiges geändert im Leben der siebenfachen Weltmeisterin und Olympiazweiten von Salt Lake – nicht nur in der Art des Umgangs. Sie trennte sich nach sechs Jahren Zusammenarbeit von Trainer Achim Franke und verabschiedete sich von Berlin-Hohenschönhausen, wo sie tausende von Kilometern im grauen Oval gedreht hatte. Sie suchte sich ihr Eislaufexil im US-Bundesstaat Utah, mietete ein Apartment, 20 Minuten entfernt von der auf 1.400 Meter Höhe gelegenen Eisbahn. Auf der Suche nach einer Herausforderung kam das „Oval Program“ der Utah Olympic Foundation gerade recht. 70 Millionen Dollar, bei den Winterspielen erwirtschaftet, stehen der Foundation als Grundkapital zur Verfügung. Die Zinsen decken die laufenden Kosten der Sportförderung.

Neben den Eisschnellläufern sollen auch im Langlauf, Bobfahren oder Skisprung Trainingsgruppen entstehen, die internationale Topathleten zusammenbringen. Aber auch jeder besessene Breitensportler kann, wenn er eine Gebühr von 23.500 Dollar entrichtet, einsteigen. Garbrecht brachte nicht den ganzen Betrag auf, weil die Gruppe von ihrer Werbewirksamkeit profitiert. Zudem übernahm sie, wie jeder in ihrer Gruppe, eine Patenschaft über einen Nachwuchsläufer. Trainiert wird das Team von Bart Schouten, einem Holländer, der ein gänzlich anderes Konzept als Trainer Franke verfolgt.

Schouten räumt seinen Athleten große Freiräume ein. Es wird bisweilen heiß diskutiert. Er fordert den mündigen Sportler, der seinem Gewissen und nicht der Weisung einer Autorität folgt. „Wir haben sehr viele Dinge von Herrn Franke beibehalten“, sagt Schouten dennoch, „zu viel Veränderung wäre nicht gut gewesen.“ So hat man die Trainingseinheiten intensiver gestaltet und vor allem an der Technik gearbeitet. „Ich wollte etwas machen, was mich persönlich weiter bringt“, sagt Monique Garbrecht-Enfeldt. Es gehe nicht mehr nur um das „ewige Rundendrehen“. Sie habe gegen die Verwandlung in eine „Sportmaschine“ ankämpfen müssen, auch gegen die negativen Begleiterscheinungen: die Routine und innere Leere. „Irgendwann stand die Entscheidung: Ich mache nur noch das, was mich persönlich weiterbringt.“

Natürlich ist Garbrecht zuallererst Sprinterin. Sponsoren bezahlen sie nicht als Absolventin eines Selbsterfahrungsseminars, sondern als der Weltschnellste über 500 und 1.000 Meter. Am Wochenende steht die erste Bewährungsprobe an, der Weltcup im japanischen Nagano. Sie ist sich ihrer nicht ganz sicher. Eine Verletzung an der linken Wade, Ende Oktober zugezogen, zwang sie zu einer Pause. Aber selbst das war nicht ganz so schlimm wie früher. Früher, sagt Garbrecht, als spreche sie über ein weit zurückliegendes Kapitel in ihrem Leben, früher wollte sie immer nur perfekt sein, jetzt könne sie akzeptieren, dass ihr nie ein perfekter Lauf gelingen wird – eine durchaus fruchtbare Erkenntnis. MARKUS VÖLKER