Generalstreik trifft den Nerv der Wirtschaft

In Venezuela haben sich die Erdölarbeiter in die Streikfront eingereiht. Präsident Chávez schickt die Armee

BUENOS AIRES taz ■ Die venezolanische Opposition lässt keinen Zweifel daran, dass sie es ernst meint mit ihrer Rücktrittsforderung an Präsident Hugo Chávez. Am Donnerstag schlossen sich auch die Arbeiter der Erdölindustrie dem nunmehr seit fünf Tagen weilenden Generalstreik an und trafen damit das Herz der venezolanischen Wirtschaft. Selbst die Kapitäne von mindestens sechs Tankern erklärten dem Präsidenten den Streik und ankerten ihre Schiffe vor der karibischen Küste. An Bord haben sie mehrere Millionen Liter Öl, auf welche die Käufer erst einmal verzichten müssen.

Chávez’ Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Er schickte ein Kanonenboot in die Gewässer der im Westen des Landes liegenden Stadt Maracaibo, um dem Kapitän des dort liegenden Tankers „Pilín León“ seinen Rebellenmut auszutreiben. Die Marine übernahm die Kontrolle über das Schiff.

Die Armee des Landes wies Chávez an, auch die Erdölanlagen des staatlichen Konzerns Petróleos de Venezuela (PDVSA) zu bewachen und jederzeit einsatzbereit zu sein. In einer Fernsehansprache sagte er: „Wir müssen die Sicherheit der Ölindustrie gewährleisten.“ Chávez sprach von einem Versuch von Putschisten in der Wirtschaft, die staatliche Ölgesellschaft zu übernehmen. „Ein Angriff auf die PDVSA ist wie ein Angriff auf das Herz Venezuelas“, sagte Chávez und kündigte an, dagegen vorzugehen. Dies könnte auch bedeuten, dass er die Armee gegen Streikende einsetzt.

Am Donnerstag konnten wegen des Streiks 23 Tanker in venezolanischen Häfen nicht beladen werden. Für Venezuela, den fünftgrößten Erdölexporteur weltweit, ein schmerzhafter Verlust, das Land lebt vor allem von seinen Erdölvorräten. Bereits am Samstag könnte auch die Erdölproduktion sinken, schätzt der Vizepräsident des Konzerns PDVSA, Jorge Kamkoff.

Der Generalstreik, mit dem ein buntes Bündnis aus Gewerkschaften und Unternehmerverbänden das Amtsende von Chávez einläuten will, legte bislang vor allem den Einzelhandel in den Städten und die Betriebe mittelständischer Unternehmen des Landes lahm. Um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, organisierte die Regierung mit Hilfe des Militärs Straßenmärkte, auf denen sich die Venezolaner mit Lebensmitteln und Kleidung eindecken können.

Während Chávez die Organisatoren der Proteste gegen ihn abermals als „Putschisten“ abkanzelte, bröckelt die Streikfront keineswegs. Die Opposition will erreichen, dass Chávez zurücktritt und den Weg freimacht für vorgezogene Neuwahlen. Sein Angebot, im August kommenden Jahres ein Referendum über die Zukunft seiner Regierung abzuhalten, wie es die Verfassung vorsieht, lehnen sie jedoch ab.

INGO MALCHER