Monster der Vergangenheit

Das neue indonesische Rundfunkgesetz schränkt die Medienfreiheit stark ein. Kritiker befürchten den Rückfall in Diktatur-Zeiten. Mancher Protestler denkt aber auch nur an die Sicherung seiner Pfründe

von ANETT KELLER

Ausgerechnet Fatima hieß sie, die böse Schwiegermutter in der Telenovela „Esmeralda“. In Indonesien erfreute sich die Soap größter Beliebtheit. Doch strenggläubigen Muslimen missfiel das Bild, das da von der Namensvetterin einer Tochter Mohammeds gezeichnet wurde. Die Proteste mehrten sich. Und damit die Angst der Programmmacher des Privatsenders SCTV vor fundamentalistischen Übergriffen. „Esmeralda“ fand ihr jähes Ende – in einem Akt von Selbstzensur.

Auch die Show „Dansa yo Dansa“ des staatlichen Senders TVRI hatte sich eine riesige Fangemeinde erobert – mit Latino-Rhythmen und knapp bekleideten Tänzerinnen. „Zu freizügig“, war das Urteil des einflussreichen Rates muslimischer Gelehrter. Worauf sich „Dansa yo Dansa“ der Freudlosigkeit von Standardtänzen widmete.

Solch vorauseilender Gehorsam wird den Sendern künftig wieder der Staat abnehmen, mit dem jetzt verabschiedeten Rundfunkgesetz und der Schaffung einer Rundfunkkommission (KPI). Im Gesetz heißt es nicht nur, die KPI solle „eine gerechte und ausgewogene Informationsordnung schützen“, sondern auch gleich „die Qualität der Sendungen“ sichern.

Machtmissbrauch

„Diese Kommission ist das neue Monster einer alten Zeit“, warnt der indonesische Staranwalt und Menschenrechtler Todung Mulya Lubis in der indonesischen Tageszeitung Kompas und verweist auf die oft missbrauchte Macht des früheren Informationsministeriums (siehe Kasten).

Die Regierung wiegelt ab: Die KPI spreche ja lediglich Empfehlungen aus. Im Gesetz steht jedoch: „Die Kommission sanktioniert Verstöße gegen die Rundfunkordnung.“ Und die näheren Ausführungen über unerwünschte Sendeinhalte bleiben vage: „Das religiöse Empfinden darf nicht verletzt werden“, heißt es da, „Pornografie und Gewalt dürfen nicht gezeigt“ und „Drogenkonsum und Glücksspiel nicht verherrlicht werden“. Bei den anzuwendenden Sanktionen wird man genauer, von 200 Millionen Rupiah (etwa 22.000 Euro) Geldstrafe bis zu fünf Jahren Gefängnis einschließlich Entzug der Sendelizenz reichen die Strafen, die die KPI verhängen kann. – Ohne dass gegen diese Beschlüsse vor Gericht Einspruch erhoben werden kann.

Das Gesetz verbietet außerdem ausländischen Medien, ihr Programm live über inländische Frequenzen auszustrahlen. Für Aufzeichnungen gilt hier künftig eine Quote: Maximal vierzig Prozent dürfen „von draußen“ kommen. Ziel dieses Verbots sind vor allem jene Radiostationen, die aus Mangel an eigenen Korrespondenten gerne auf die Nachrichten der Voice of America oder der BBC zurückgreifen. Oder der Sender Global-TV, der sein Programm komplett mit der Übernahme des für traditionelle Gemüter viel zu „pornografischen“ Musikkanals MTV bestreitet.

Rüdiger Siebert, Leiter der indonesischen Redaktion der Deutsche Welle (DW), hat die Entwicklungen seit Monaten „mit wachsender Besorgnis“ beobachtet. Für ihn ist das Gesetz „der traurige Beweis, dass die Hardliner sich im Parlament wieder durchgesetzt haben“. Wie die Kooperation mit 120 Radiostationen, die bislang DW-Programmanteile übernehmen, weitergehe, ist unklar: „Man muss erst mal schauen, was die überhaupt noch dürfen“, so Siebert.

Auch die Sendereichweiten werden beschränkt. Landesweit dürfen künftig nur noch die staatlichen Sender TVRI (Fernsehen) und RRI (Radio) ausstrahlen. Die Privaten müssen sich künftig mit lokalen Anbietern arrangieren und deren Programmfenster übernehmen.

Hierdurch soll einer Dominanz der Hauptstadt-Medien vorgebeugt werden. Dieses Ziel verfolgt auch die Bestimmung, die Überkreuzbeteiligungen von TV-Sendern und Zeitungsverlagen einschränkt. – Keine schlechte Idee, um der anhaltenden Medienkonzentration ein Ende zu setzen, findet der Medienwissenschaftler Dedy Mulyana: „Wenn eine kleine Gruppe das Informationsmonopol hat und es viele Verstrickungen mit der Politik gibt, dann gefährdet das die Pressefreiheit erst recht.“

Und diese Verstrickungen gibt es in Indonesien, dem Transparency International einen Korruptionsindex von 1,9 (0 = sehr korrupt; 10 = nicht korrupt) bescheinigt, zuhauf. Daher muss bei den Protesten gegen das neue Mediengesetz auch unterschieden werden, wem es um die Sicherung eigener Pfründe und wem es um die Pressefreiheit geht. Die Werbeeinnahmen haben sich seit 2000 verdoppelt, 70 Prozent davon gingen ans Fernsehen. – Geld, das man sich in Zeiten, wo es in den meisten anderen Wirtschaftsbereichen eher bergab geht, nicht gerne streitig machen lässt.

Und auch viele Journalisten, die jetzt auf die Straße gehen, lassen es im täglichen Geschäft selbst an Integrität mangeln. „Jurnalisme amplop“ ist ein geflügeltes Wort in Indonesien. Amplop heißt Umschlag. Mit Geld gefüllt, gehört er zu fast jeder Pressekonferenz.