DIE TECHNIKER-KRANKENKASSE DARF SICH NICHT INTERESSANT MACHEN
: Ministerin mit AOK-Horizont

Es klingt nach einem Totschlagargument. Ein Bonustarif verstößt gegen das Solidarprinzip, tönt Sozialministerin Ulla Schmidt. Für unsolidarisch hält sie, dass die Techniker-Krankenkasse (TK) jenen Versicherten einen Beitragsrabatt gewähren will, die seltener zum Arzt gehen. Kranke aber würden von den Rabatten nicht profitieren, und den Krankenkassen würde mit den Beitragsausfällen auch noch das Geld entzogen, das für ebendiese gebraucht wird, meint Schmidt. Also Daumen runter für das Projekt.

Das ist voreilig und ärgerlich zugleich. Denn der Vorstoß der TK ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zu mehr Patientensouveränität zum Beispiel: Wenn die Versicherten über einen bestimmten Anteil an ihren Beiträgen selbst verfügen können, werden sie sich bewusster überlegen, wann ein Arztbesuch sinnvoll ist. Das hat die TK clever eingeschränkt: Um zu vermeiden, dass ihre Mitglieder die Vorsorge vernachlässigen, hat sie diese Untersuchungen vom Bonussytem ausgenommen.

Versicherte, die häufiger krank werden, profitieren nicht von den Rabatten, doch schlechter behandelt als vorher werden sie auch nicht. Und dass die Rabatte zu neuen Defiziten bei den Kassen führen, stimmt auch nicht. Erstens entfällt ein Teil der Geldverschwendung durch überflüssige Arztbesuche, zweitens bremst das Angebot die Abwanderung zu den Privatversicherungen, bei denen solche Rabatte üblich sind. Je mehr Versicherte aber bei den „Gesetzlichen“ bleiben, desto mehr Beiträge landen über den Risikostrukturausgleich bei der AOK, der Kasse mit den armen, kranken und alten Mitgliedern. Daran ist nichts unsolidarisch.

Schmidt will zu Anfang 2003 die Beitragsbemessungsgrenze für Versicherte hochsetzen, damit nicht mehr so viele Abwanderungswillige die gesetzlichen Krankenkassen verlassen. Passieren wird genau das Gegenteil: Statt wegen interessanter Angebote ihren Kassen freiwillig treu zu bleiben, würden überdurchschnittlich Verdienende sofort zu den Privaten gehen, wenn die Höhe ihres Einkommens das erlaubt. Nicht einmal einen Modellversuch will Schmidt zulassen. Ihr scheint unvorstellbar, dass auch gesetzliche Krankenkassen attraktiv sein möchten. STEPHANIE VON OPPEN