Mit Joints gegen das Rauchverbot

Vom Verfall einer Kulturnation: In seiner Filmparodie „1. April 2021 – Haider lebt!“ malt sich der Regisseur Peter Kern mit durchaus morbider Detaillust ein Österreich der Zukunft aus – unter FPÖ-Herrschaft und unter US-Besatzung

Jörg Haider ist eine Schießbudenfigur. Die kurzzeitige FPÖ-Ministerin Susanne Riess-Passer hat ein uneheliches Kind, und auf Österreichs Straßen kann man nur noch mit Dollars bezahlen. So sieht es aus, wenn ein Exilösterreicher einen Blick auf sein Heimatland wirft und sich dabei ein paar Prognosen über dessen Zukunftsaussichten erlaubt.

Kurz vor den Neuwahlen im November wurde mit niedrigem Budget „1. April 2021 – Haider lebt!“ gedreht. Der einstige Fassbinder-Schauspieler und Regisseur Peter Kern hat damit versucht, seine Angst vor einer erneuten Regierungsbeteiligung der blauen Reaktionäre durch Satire zu bannen. Seine Vision zeigt ein Europa, das in US-Sektoren eingeteilt ist. Österreichs Bundeskanzler heißt nun nicht mehr Jörg Haider, sondern Jonny Bush, Sohn des Friedenspräsidenten George W. Dialekte sind ebenso verboten wie Zeitungen.

Kern parodiert diesen Besetzungszustand in Anlehnung an Wolfgang Liebeneiners Film „1. April 2000“ aus dem Jahre 1952. Doch während in diesem patriotischen Klassiker der Wiener Charme die Alpenrepublik von den Besatzungsmächten zu befreien sucht, stört 2021 der Big Brother Amerika kaum noch. Der Österreicher der Zukunft bevorzugt Coffee Shops statt Kaffeehäuser und kann mit amerikanischen Charts mehr anfangen als mit Georg Kreisler. Die Relikte der Nationalkultur sind lediglich für den Widerstand reserviert. Nostalgische Wiener etwa üben heimlich in Museen ihre geliebte Mundart, und die letzten zwei Sozialdemokraten unterlaufen das amerikanische Rauchverbot mit selbst gedrehten Joints.

Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen im Film, wenn Dokumentarbilder den Digicam-Aufnahmen des Films gegengeschnitten werden: hier der rollerbladende, bergsteigende Sunnyboy Jörg Haider in natura, dort die gescheiterte Existenz einer Jahrmarktattraktion, die am Ende auch noch von seinem einstigen Kanzler Schüssel erschossen wird. Trotz des drastischen Schlusses bleibt der Film aber unbefriedigend. Kern ortet den Grund allen Übels nicht im Inneren, sondern projiziert es nach außen. Letztendlich scheitert die österreichische Kulturnation am US-amerikanischen Hegemonialstreben. Der Polit-Poser Haider hat diesen Verfall zwar in die Wege geleitet, doch zur vollständigen Aushöhlung der Nation mussten erst die Amerikaner kommen.

Wenn Kern die Vereinigten Staaten als oberflächliche Fastfood-Gesellschaft darstellt, benutzt er Klischees, in denen man getrost Antiamerikanismus vermuten darf: Der Graben wird zur Verlängerung der Fifth Avenue, das Burgtheater ein Varieteeschuppen, und an der Pestsäule tummeln sich Österreicher im Cowboy-Look. Wehleidig wird ein Lobgesang auf eine große Kulturnation namens Österreich gesungen, die unter dem Diktat der amerikanischen Spaßgesellschaft deformiert wird. Dass gerade diese Rückbesinnung auf ein nationales Kulturverständnis – auf eine Gesellschaft, die sich durch ihre Symbole zur Gemeinschaft umcodiert – letztendlich den Nährboden eines falsch verstandenen Nationalgefühls à la Haider schaffen kann, bleibt bei dieser Art von Betrachtung allerdings außen vor. Zwar bietet Peter Kerns filmische Satire einige recht amüsante Bilder, aber leider keine Kritik linker Selbstgewissheiten. AYGÜL CIZMECIOGLU

„1. April 2021 – Haider lebt!“. Regie: Peter Kern. Mit August Diehl, Traute Hoess u. a. , D 2002, 74 Min., bis 18. 12. in der Filmbühne am Steinplatz