Katerstimmung in Washington

Die USA haben das nordkoreanische Frachtschiff samt den Scud-Raketen für den Jemen wieder freigeben müssen. Gegen das legale Waffengeschäft ist formal einfach nichts einzuwenden, auch wenn die Umstände des Waffentransportes dubios bleiben

aus Washington MICHAEL STRECK

Es sollte eine erste Lektion für die Welt werden, dass die US-Regierung es mit ihrer neuen Sicherheitsdoktrin präventiver Schläge ernst meint. Ein abschreckender Schuss vor den Bug. Doch es wurde ein Rohrkrepierer, um in der Sprache der Militärs zu bleiben. Widerwillig wies US-Präsident George W. Bush seine Kriegsmarine am Mittwoch an, das aufgebrachte Schiff im Arabischen Meer mit den sichergestellten Scud-Raketen aus Nordkorea freizugeben und an den Jemen auszuliefern.

Vorausgegangen war ein „angespanntes“ Telefongespräch zwischen Vizepräsident Dick Cheney und dem jemenitischen Staatschef. Auch wenn Präsidentensprecher Ari Fleischer um Schadensbegrenzung bemüht war und das Aufbringen des Frachters als eine legitime und erfolgreiche Handlung der US-Marine bezeichnete, ist die außenpolitische Blamage des Weißen Hauses offensichtlich.

Die US-Regierung konnte die Freigabe der Waffen nur schwerlich ablehnen. Erstens gibt es keine Gesetze, die den Kauf von derartigen Waffensystemen durch den Jemen verbieten. Und Lieferungen aus Nordkorea sind keinesfalls rechtswidrig, solange sie nicht selbst auferlegte Rüstungskontrollbeschränkungen oder Beschränkungen für die Empfängerländer verletzen – wie sie etwa für den Irak existieren. Weder Nordkorea noch der Jemen haben Nichtweiterverbreitungsverträge unterzeichnet.

Zweitens wollte es sich die US-Regierung mit dem neuen Partner auf der Arabischen Halbinsel nicht verscherzen. Das instabile Land gilt als Tummelplatz internationaler Terrororganisationen – allein schon deshalb ist es den USA wichtig, dass ihre Truppen im Krieg gegen den Terror im Jemen operieren dürfen.

Kritiker werfen Bush jedoch inkonsequentes Handeln vor. Robert Einhorn, Rüstungsexperte im Außenministerium unter Bill Clinton, glaubt, das Weiße Haus sei über Fracht und Fahrtziel des Schiffes informiert gewesen. Entweder man hätte sich die Beschlagnahme sparen sollen oder die Umstände der Raketenlieferung vor einer Freigabe ernsthaft prüfen müssen. Schließlich fuhr das Schiff ohne Namen und Flagge und die scheinbar legale Fracht war unter einer Zementladung versteckt – für ihn legitime Gründe, das Boot zu stoppen. Zudem hatte die jemenitische Regierung jüngst den USA zugesagt, keine weiteren Raketen zu importieren.

Das Magazin Newsweek berichtet überdies, dass die Raketen, die für den fehlgeschlagenen Angriff auf ein israelisches Flugzeug in Mombasa benutzt wurden, wahrscheinlich aus einem jeminitischen Regierungsdepot gestohlen wurden.

Die oppositionellen Demokraten kritisierten die Regierung scharf: Bush sei so sehr vom Irak besessen, dass er nachweisliche Bedrohungen ignoriere, sagte der Abgeordnete Edward Markey von der Kongress-Arbeitsgruppe zur Nichtweiterverbreitung von Waffensystemen. Die Scud-Raketen samt Sprengköpfen seien nur die neuesten Belege für die expansive und viel gefährlichere Rüstungspolitik der Machthaber in Pjöngjang. Die Funde bestätigen, was für US-Geheimdienste längst als sicher gilt: Nordkorea ist führender Exporteur von Raketentechnologie. US-Militärexperten schätzen, dass Nordkorea mit dem Waffenverkauf jährlich rund 100 Millionen Dollar verdient. Das Geld soll überwiegend in Raketen- und Nuklearwaffenprogramme fließen, deren Existenz Nordkorea zugegeben hat.