vorlauf: Ein wüstes Leben
„Deutsche Lebensläufe: Arnolt Bronnen“ (So., 22.20 Uhr, ORB)
Arnolt Bronnen, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Dramatiker berühmt, heute fast vergessen, war eine rundum unerfreuliche Persönlichkeit. Seine Biografie steht paradigmatisch für das Schicksal einer Gruppe von Intellektuellen, die, zwischen „nationaler Erweckung“ und sozialistischer Endzeiterwartung pendelnd, sich nur in einem treu blieben: der Verachtung von Demokratie und Menschenrechten. Es war diese Melange, die Ullrich Kasten und Egon Günther, zwei schon zu DDR-Zeiten renommierte Regisseure, zu ihrem Porträt inspirierte.
Ihr Film lässt kräftig Luft ab aus dieser aufgeblasenen, skandalsüchtigen und den Mächtigen stets ergebenen Person. Die beiden Filmemacher lassen sich keinen Moment anstecken von der hohlen Bürgerschreck-Attitüde, der Bronnen in den 20er-Jahren seinen Berliner Publikumserfolg verdankte. Der Streit der Weimarer Starkritiker um Bronnen, vor allem die vernichtenden Kritiken Alfred Kerrs werden geschickt einmontiert, man hätte sich allerdings ein paar Kostproben aus Bronnens Dramen gewünscht, etwa aus den „Rheinischen Rebellen“, die die Berliner Volksbühne, wo sich Brüder und Schwestern im Geiste Bronnens häufen, kürzlich ausgegraben hat.
Richtig schön eklig wird es bei der Schilderung Bronnens als Kuppler von Goebbels’ Gelüsten. Aber alle Dienstfertigkeit half nichts, an dem Dichter des „Vatermords“ und der „Exzesse“ blieb der Geruch des Kulturbolschewisten hängen. Außerdem war da noch der reale jüdische Vater. Bronnen brachte es über sich, seine Mutter zu dem schriftlichen Eingeständnis zu überreden, nicht Ferdinand Bronnen, sondern ein echter Arier sei sein Vater gewesen. Das half nur vorübergehend.
Nach dem, was die Filmemacher uns zeigten, nimmt es nicht Wunder, dass Bronnen, zwischendurch Katholik, in seinem letzten Lebensabschnitt zum Stalinismus konvertierte und in der DDR seinen nationalen wie sozialistischen Dienst tat. Wenn wir so etwas wie Verständnis für diese Existenz aufbringen, so ist es das Verdienst seiner beiden Töchter, die uns mit klugen Kommentaren durch dieses wüste Leben führen.CHRISTIAN SEMLER
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