EU jetzt ganz groß

Europäische Union einigt sich mit zehn Beitrittskandidaten auf Finanzpaket. Türkei enttäuscht, da erst Ende 2004 über Verhandlungsaufnahme entschieden wird. Zypern-Gespräche geplatzt

KOPENHAGEN/BERLIN rtr/ap/taz ■ Polen pokerte stundenlang. Zwei Angebote der 15 EU-Regierungschefs zur besseren Finanzierung der EU-Erweiterung lehnte Polens Premierminister Leszek Miller ab. Erst als die EU am Freitagabend ihr Paket für die zehn Beitrittskandidaten erneut veränderte, lenkte er ein. Wie aus diplomatischen Kreisen verlautete, stellte die EU allein für Polen noch einmal 133 Millionen Euro bereit. Damit ist die größte Erweiterung in der Geschichte der Union möglich geworden.

Den ganzen Freitag über hatte die polnische Delegation darauf bestanden, dass die EU die gesamte Summe, die in Berlin 1999 für die Erweiterung bereitgestellt worden war, den zehn Beitrittsstaaten auch tatsächlich auszahlt. In der so genannten Agenda 2000 sind gut 42 Milliarden Euro für die Jahre 2004 bis 2006 vorgesehen. Bis zum Gipfel von Kopenhagen war die EU jedoch nur zu Zahlungen von 39,3 Milliarden Euro bereit, während des Gipfels erhöhte sie das Angebot auf 40,72 Milliarden.

Am Freitagnachmittag hatte es zunächst so ausgesehen, als hätte Deutschland ein Einlenken Polens durchgesetzt. Ein neuer Vorschlag sah vor, dass Warschau durch Umschichtungen der Gelder aus Brüssel eine Milliarde Euro mehr für seinen Staatshaushalt erhält. Nachdem die polnische Delegation dann jedoch noch einmal ausgiebig gerechnet hatte, lehnte sie das Angebot ab. Ein Diplomat sagte: „Polen will mehr Geld.“ Die polnische Führung verhandelt besonders hart, weil sie den EU-Beitritt in einem Referendum durchsetzen muss.

Seit Donnerstag verhandeln die 15 Staats- und Regierungschefs der EU in Kopenhagen über die größte Erweiterung in der Geschichte der Union. Abgeschlossen werden konnten nach Angaben aus EU-Kreisen die Verhandlungen mit Slowenien, der Slowakei, Zypern, Malta und den drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland. Slowenien handelte nach eigenen Angaben zusätzliche Mittel von 48 Millionen Euro aus, auch die Slowaken zeigten sich zufrieden. Neben Polen bestanden so nur noch Ungarn und Tschechien auf einer Erhöhung der Brüsseler Zahlungen. Die zehn Staaten sollen nach der Ratifizierung der Beitrittsverträge durch die EU-Staaten am 1. Mai 2004 in die Union aufgenommen werden.

Eine Einigung fanden die EU-Chefs im Fall der Türkei. Im Dezember 2004 werden sie auf der Basis eines Fortschrittsberichts prüfen, ob Ankara die wirtschaftlichen und politischen Kriterien für einen Beitritt erfüllt. Für diesen Fall wird die EU Verhandlungen mit der Türkei eröffnen – ein konkretes Datum hierfür nannten die Regierungschefs jedoch nicht. Die Entscheidung ist eine Niederlage für Tony Blair. Großbritannien hatte ebenso wie die südlichen EU-Staaten für Verhandlungen im Jahr 2004 plädiert. Berlin und Paris sprachen sich dagegen für den 1. Juli 2005 aus. Außenminister Joschka Fischer sagte, ein solches Ergebnis sei vor wenigen Wochen noch nicht denkbar gewesen. Die türkische Regierung forderte Nachbesserungen, versicherte aber, ihren Reformkurs fortzusetzen. Dem Beschluss war eine heftige Diskussion vorangegangen, bei der die Regierungschefs das türkische Vorgehen kritisierten. „Viele haben den türkischen Druck als bedauerlich und unangenehm empfunden“, sagte Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der eigentlich zu den Befürwortern schneller Verhandlungen zählte.

Zerschlagen haben sich die Hoffnungen auf einen Durchbruch in der Zypernfrage. Der Vertreter der international nicht anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ sagte, er werde in Kopenhagen keine UN-Vereinbarung über die Wiedervereinigung des Inselstaats unterzeichnen. Der Beitritt ist davon nicht bedroht. Die Union hatte bereits 1999 festgelegt, notfalls nur den griechischen Teil der Insel aufzunehmen. Gegen die EU demonstrierten um die 1.000 Globalisierungskritiker. HER

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