Mit Bühnenkampf gegen Gewalt

Hoch motiviert: Theater N.N. und AG Kinder- und Jugendschutz proben mit SchülerInnen den Ernstfall

Schulhof des Emilie-Wüstenfeld-Gymnasiums, große Pause: Zwei Schülerinnen geraten in Streit, die Sache eskaliert, es kommt zu Handgreiflichkeiten. Reaktionen? Vier jüngere Schüler gucken zu. Aus einer anderen Ecke kommt Applaus. Die beiden vertragen sich wieder und gehen ab. So lapidar ging vergangene Woche ein Theaterexperiment aus.

Die Aktion war unsichtbares Theater: inszeniert, um über Gewalt ins Gespräch zu kommen. Die unfreiwilligen Zuschauer wissen nicht, dass es sich um Theater handelt. Sie sollen zu Reaktionen provoziert, zur Stellungnahme aufgefordert werden. Die aufsichtsführenden Lehrer waren vorher eingeweiht worden. Doch der Pausenhof entpuppte sich als zu groß, die Szene als zu alltäglich, um die Schülerschaft zu weiter gehenden Kommentaren zu treiben.

Vier Abende plus ein Wochenende haben sich 17 SchülerInnen aus verschiedenen Schulen im Theater N.N. getroffen, um die Aktion vorzubereiten. Intendant Dieter Seidel und die Theaterpädagogin Cornelia Koch leiteten den Workshop. Bühnenkampf stand auf dem Programm, vom einfachen Schubsen bis zum ausgefeilten Faustkampf. Langsam tasteten die Teilnehmer sich an körperliche und verbale Aggression heran.

Meral Karatay ist in ihrer Schule bereits als Streitschlichterin tätig. „Mir haben besonders die Konzentrationsübungen und die Kampfchoreographie gefallen“, beschreibt sie ihre Erfahrungen. Serpil Bayram und Lea Arp hatten ihre Freude am Rumschreien: „Da kann man sich richtig austoben, frei und ohne Befehle.“ Im Workshop trafen sich Theater und Pädagogik. „Bilder mit theatralischen Mitteln entschlüsseln“, beschreibt Theaterprofi Seidel seinen Beitrag. Das Verbalisieren übernahm die Theaterpädagogin Koch.

Im zweiten Teil der Aufführung im Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium wurden die versammelten 7. Klassen mit Gewaltszenen konfrontiert. In der Aula war die Theaterkonvention gewahrt und damit auch die Aufmerksamkeit gesichert. Koch kommentierte die Szenen und fragte die ZuschauerInnen nach Lösungsvorschlägen, die dann in die Szenen eingebaut wurden.

Sigrid Ruppel, Vorsitzende der AG Kinder- und Jugendschutz Hamburg e.V., hat das Projekt initiiert. Zur Zusammenarbeit mit dem Theater N.N. kam es durch die räumliche Nachbarschaft. Auch wenn eine detaillierte Auswertung noch aussteht, will Ruppel die Zusammenarbeit fortführen: „Die Aktion soll wiederholt werden. Außerdem denken wir darüber nach, mit den Jugendlichen eine feste Theatergruppe zu bilden. Denn die waren hoch motiviert.“ Christian Rubinstein