Wo sich Bär und Bagger treffen

Moabit ist kein Hip-Bezirk, auch nicht der brandgefährlichste Bezirk Berlins, aber ein idealer Namensgeber und auch ein guter Ort, um außergewöhnlichen HipHop zu produzieren: Die HipHop-Band Moabit hat mit „Bär auf Speed“ ihr Debüt veröffentlicht

von AXEL WERNER

Die Gewohnheit, sich nach Städten oder Stadtteilen zu benennen, hat unter Bands aller musikalischen Richtungen Tradition: Von Chicago über Boston bis nach Idaho, von den New York Dolls über das South Central Cartel bis zu East 17; im Deutschrap-Kontext gibt es das Rödelheim Hartreim Projekt oder die unter Hamburg City und Eimsbush zu filenden Acts; und was schließlich Berlin betrifft, etwa Mitte Karaoke oder Viktoriapark. Die Liste für Berlin und HipHop aus Deutschland ist jetzt um einen Eintrag reicher: Moabit, die Crew, aus Moabit, dem Stadtteil, rappt: „Unser Name glänzt in Gold dekadent, strahlt über alles im Zenit … ihr hört’n dicken Track aus Moabit.“

Moabit, die Crew, das sind: Der Rapper und Produzent Monk, sein Bruder Yasha und Malo (beide Rapper) sowie DJ Illvibe, der einigen vielleicht noch mit seinem bescheidenen Seitenprojekt Seeed in Erinnerung ist. Moabit gibt es seit einem Jahr, ihr EP-Erstling „Bär auf Speed“ ist gerade erschienen. Moabit, der Stadtteil, das ist der Berliner Bezirk, in dem drei Viertel der Band aufgewachsen ist und auch heute noch arbeitet. Darüber hinaus ist „Moabit“ einfach ein Wort, das spitze klingt, erstmal nichts weiter bedeutet und sich ähnlich anhört wie „more beat (more fire!)“, während zum Beispiel „Schmargendorf“ dagegen ein relativ blöder Name für eine Band wäre.

Daher hat auch das große Representen seine Grenzen. Tatsächlich liegt ja Tiergarten in der Berliner Kriminalstatistik weit vorn. Aber wenn Moabit ihren Turf in den von Illvibe gewohnt grandios gecutteten Vocalparts als „the dangerous part of town“ bezeichnen, dann ist das eher eine charmant-ironische Brechung als die Behauptung authentischer Realness. Genauso wird auch mit dem Bezirksimage der notorischen Moabiter Abgeranztheit gespielt, wenn der Opener von „Bär auf Speed“ ausgerechnet „Chromgoldglänz“ heißt. „Moabit“, so Yasha, „hat gegenüber anderen Stadtteilen einen sehr eigenen Charakter, der mir total sympathisch ist. Aber ich würde mir auf keinen Fall anmaßen, ganz Moabit und jeden, der da wohnt, irgendwie repräsentieren zu wollen“.

Wie ja auch HipHop aus Berlin eher von Kreuzberg repräsentiert wird als von Moabit. Es ist nun ausgerechnet der aus Hamburg zugezogene Malo, der die Strukturanalogie von Band und Bezirk hervorhebt: „Moabit ist eigentlich eine Insel. Auf der einen Seite vom Spreekanal begrenzt, auf der anderen vom Industriegürtel. Man verirrt sich da einfach im Unterschied zu Kreuzberg oder den Hip-Bezirken im Osten kaum hin. Entsprechend wollen wir auch gar nicht so in Beziehung oder Konkurrenz zu der Art Musik treten, die woanders gemacht wird, sondern einfach unser ganz eigenes Ding verwirklichen.“

Hier ist natürlich das HipHop-Mantra des Antidogmatismus vernehmbar, das fast selbst schon zum Dogma geworden ist. Andererseits lässt sich bei Moabit guten Gewissens von musikalischer Originalität reden. Ist die Band schon an sich ein Konglomerat aus grundverschiedenen Charakteren, deren musikalische Vorlieben sich eher kreuzen als ineinander aufgehen, so stehen die Beats irgendwo zwischen Dre-Produktionen und Rootsmanuva-Elektrodub, in den Scratches geben sich Eins Zwo, Kool Savas, Eminem, Gravediggaz und Das EFX den Stab in die Hand, die Raps mäandern zwischen souveränen Soloparts und T.O.K.-mäßigen Crewstyles, Drum & Bass kann ebenso zu den Einflüssen gerechnet werden wie Björk. Inhaltlich gehen die Stücke der „Bär auf Speed“-Ep weit auseinander: klassische Battle-Styles („Du willst, dass ich schweig“) gegen surrealistische Fabelerzählungen („Eenie Weenie“), crowd-pleasende Tanzflächenfüller („Chromgoldglänz“) gegen persönliche Erfahrungsberichte („Tapeticker“). Versatility rules!

Auf symbolischer Ebene findet das Ganze im Band-Logo zusammen, wo sich Bär und Bagger treffen: Die beiden Totems der Baustellenhauptstadt, organische Wildheit und technische Präzision, Kaputt-Aufriss und Konstruktion. Moabit: Feels so good in my hood, jetzt auch auf Platte.

Moabit: „Bär auf Speed“ (New Noise/Labels Germany)