: off-kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Einige Jahre später war Jane Fonda die ganze Sache eher peinlich: Da hatte sie nämlich ihr politisches Engagement entdeckt (Vietnamkrieg und so), und zur neuen Seriosität wollte es nicht mehr recht passen, dass sie einst als leicht bekleidete Agentin Barbarella in Roger Vadims gleichnamiger Verfilmung des Comics von Jean-Claude Forest mit einem Raumschiff in Form einer überdimensionierten Trillerpfeife durchs Weltall gesaust war. Vadims Talent hatte von jeher vor allem darin bestanden, die körperlichen Vorzüge seiner jeweiligen Frauen (dazu gehörten u. a. Brigitte Bardot, Annette Stroyberg und Catherine Deneuve) ins rechte Licht zu rücken – und so verwundert es auch nicht, dass sich seine damalige Gattin Fonda bereits in der Titelsequenz mit einem schwerelosen Striptease aus dem Raumanzug pellt. Weitere Höhepunkte von Barbarellas Suche nach dem verschwundenen Wissenschaftler Duran Duran sind die Verführung eines blinden Engels (John Philip Law), die Begegnungen mit einem schusseligen Revolutionär (David Hemmings) und einer sehr sensuellen Königin (Anita Pallenberg) sowie die Folterung mit einer Orgasmus-Orgel. Das ist natürlich alles ziemlich sexistisch, enorm amüsant und sehr psychedelisch: Von Claude Renoir durch Plastikfolien und Plexiglasröhren fotografiert, wabert es in „Barbarella“ an allen Ecken und Kanten quietschbunt vor sich hin. Am Ende geht der ferne Planet in einer orangefarbenen kochenden Flüssigkeit unter: Blubb, blubb.
„Barbarella“ (OF) 26.12. im Arsenal 1
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Als „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ 1988 in die Kinos kamen, gefiel der Film eigentlich niemandem. Viel Aufwand, viel Kostüm und Kulisse, aber nur wenig Seele, lautete das Verdikt über Terry Gilliams Verfilmung der Lügenbaron-Geschichten mit John Neville in der Titelrolle. Im Rückblick erscheint der Film interessanter, geht es doch um Gilliams Lieblingsthema: die Überwindung der Realität durch die Fantasie (nicht von ungefähr wollte Gilliam ja auch „Don Quijote“ verfilmen). In seiner sehr typischen Mischung aus Satire, Fantasy-Elementen und kunstgeschichtlichen Inspirationen – den Münchhausen-Illustrationen von Gustave Doré – erzählt der Regisseur in „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ eine Geschichte, die ihren Ausgangspunkt im Theater einer belagerten und kriegsumtosten Stadt nimmt, wo der Baron erbost eine Aufführung seiner Abenteuer unterbricht, um nun seinerseits „die ganze Wahrheit“ zu schildern. Während seiner Erzählungen von klassischen Abenteuern wie der Mondreise und dem Ritt auf der Kanonenkugel verlässt man zwar das Theater – doch die Bauten und Dekorationen des Filmarchitekten Dante Ferretti bleiben bewusst theatral. Zum Schluss siegt kaum überraschend die blühende Fantasie des Barons und – noch wichtiger – das Vertrauen eines kleinen Mädchens in seine Visionen über die Realität des Krieges: Gilliams Vertrauen in das Zeitalter der Aufklärung und Vernunft ist sehr begrenzt.
„Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ 19.12.–25.12. in der Brotfabrik
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Ein Musical als Sozialsatire und Protest gegen den Vietnamkrieg: Milos Formans Verfilmung des Broadway-Stücks „Hair“ konfrontiert langweilige Upper-Class-Gestalten mit der Hippiekultur, wobei sich die feinen Ladys beim Ausritt durch den Central Park durchaus schockiert zeigen, wenn ihnen „Masturbation can be fun“ ins Gesicht gesungen wird. LSD-Trips kommen als Hostienersatz zum Einsatz, Polizeipferde tanzen, schwangere Bräute fliegen in Drogenvisionen umher, und der Chor singt „Hare Krishna“: alles sehr schwungvoll choreografiert von Twyla Tharp.
„Hair“ 26.12. im Melodie Potsdam
LARS PENNING
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