In finsterer Zeit muss taz sein!

Die taz sagt Danke für die Unterstützung durch ihre LeserInnen und GenossInnen – ein Weihnachtsbrief

von URS MÜLLER-PLANTENBERG

Liebe Leserinnen und Leser,

wirklich, wir leben in finsteren Zeiten! Wir lachen, weil wir die furchtbare Nachricht nur noch nicht empfangen haben, obwohl wir doch täglich darüber belehrt werden, wie sie heißen wird und nach dem festen Willen einiger Mächtiger unbedingt heißen soll: „’s ist Krieg!‚ ’s ist Krieg!“

Und kaum jemand ruft mit Matthias Claudius: „O Gottes Engel wehre, und rede du darein!“

Im Gegenteil gibt es Leute, die lachen, weil sie sicher sind, uns die Botschaft vom Krieg bald bringen zu können. Auf dem Foto vom US-Luftwaffenstützpunkt in Katar sieht man Mitte Dezember 2002 den lachenden US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, umringt von ebenso fröhlichen Offizieren und einem schmunzelnden General Tommy R. Franks. „Der Krieg gibt unserem Leben endlich Sinn und Erfüllung“, will uns dieses Lachen sagen.

Fast alle Welt ist gegen diesen gründlich vorbereiteten Krieg, obwohl Diktatoren und Massenvernichtungswaffen wahrhaftig keine Verteidigung verdienen. Aber schon häufig hat der Beginn eines Krieges zu einer kollektiven Euphorie geführt. In solch finsterer Zeit ist die Existenz der taz ein absolutes Muss. Bei aller Kritik, die man gelegentlich an ihr haben kann und muss, kann man doch sicher sein, dass sie sich solcher Kriegseuphorie mit der Macht nüchterner Information entgegenstemmen wird. Ein besonderer Grund, an der Sicherung der Weiterexistenz auch im Jahre 2003 interessiert zu sein.

Das letzte Jahr war nicht einfach. Der Rückgang der Anzeigenerlöse hat selbst die großen überregionalen Tageszeitungen in eine schwere Krise gestürzt. Die Süddeutsche Zeitung, die FAZ, Die Welt und die Frankfurter Rundschau mussten wegen enormer Verluste in Höhe von vielen Millionen Euro Einsparungen vornehmen und Dienstleistungen wesentlich reduzieren. Die Woche verschwand sogar ganz vom Zeitschriftenmarkt.

Da die taz nicht so sehr vom Kalkül der Inserenten abhängig ist wie diese Zeitungen und Zeitschriften, die sich in der Hand großer und kapitalkräftiger Verlage befinden, ist es ihr gelungen, die Medienkrise zu überstehen, ohne ihr Angebot an Sie, an die Leserinnen und Leser, zu reduzieren. Sie waren es, die durch neue Abonnements – und durch die Weiterführung der alten – dafür gesorgt haben, dass die Zahl von Abonnements erstmals wirklich in die Nähe der 50.000-Marke gelangt ist, die der taz ein etwas sorgenfreieres Dasein gestatten würde. Und das ohne eine „Rettungs“-Kampagne, wie sie in früheren Jahren des öfteren nötig schienen.

Die Verluste des Unternehmens taz konnten nicht so groß sein wie bei den anderen überregionalen Zeitungen, weil da nicht so viel zu verlieren war. Aber sie waren groß genug, um auch 2002 das Überleben der taz erneut zu gefährden. Ohne die Mitglieder der Genossenschaft, die sich durch recht massive neue Einlagen oder durch Aufstockung ihrer bisherigen Einlagen die politische Rendite einer Weiterexistenz der taz sichern wollten, wäre die Liquidität des Unternehmens im Laufe des Jahres ernsthaft gefährdet gewesen. Auch den neuen und alten Genossinnen und Genossen ist also dafür zu danken, dass wir hoffen können, in diesen finsteren Zeiten in der taz eine Hilfe behalten zu können.

Immerhin hat sich in den vergangenen Monaten des Jahres 2002 ein Hoffnungsschimmer ergeben. Zum ersten Mal nach langer Zeit liegen die Anzeigenerlöse nicht mehr unter den Planzahlen. Und auch die Zahl der Abonnements entwickelt sich, wie schon gesagt, besser als angenommen. So konnte für das Jahr 2003 ein Wirtschaftsplan aufgestellt werden, der keine Verluste vorsieht und doch realistisch zu sein scheint. Wenn es denn so käme, könnten wir auch in Zukunft in der taz alle Seiten finden, an die wir uns gewöhnt haben, und müssten nicht fürchten, dass die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Menge der Information und das Niveau der Berichterstattung sinken. Und das ohne die Panik im Nacken, die schon fast ein Kennzeichen der taz geworden ist, ohne doch das Arbeiten für sie zu erleichtern.

Wie gesagt: Wenn es denn so käme! Dass wir diese Hoffnung überhaupt haben können, verdanken wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser – und liebe Genossenschaftsmitglieder. Trotzdem steht in diesem Jahr unter dem Betreff dieses Briefes kein Danke, sondern eine Bitte: Die taz wird erscheinen müssen! In friedlicheren Zeiten mag es angenehm und erfreulich sein, eine Zeitung zu haben, die ihren Leserinnen und Lesern gehört, die deshalb konzernunabhängig ist, sich Respektlosigkeit leisten kann und publizistisch über sich selbst bestimmt. In kriegerischen, finsteren Zeiten wie diesen muss die taz erscheinen! Unbedingt! Sorgen Sie dafür!

Wir wünschen Ihnen – trotz alledem – frohe Festtage.