Spätkauf: Geschenktipps der Kulturredaktion
: Pyjama

Wer Vor- und Nachmittage im Bett verbringen will, weil dort viele Freuden warten (Lektüre, Sex, Dösen, Der-weiße-Hai-Teil-eins auf Video gucken, Pandoro essen), braucht angemessene Kleidung. Schludert man im T-Shirt herum, wird es kalt an den Beinen. Trägt man Leggings, wird einem von dem Wort schon ganz anders, nicht zu vergessen, dass der an der Haut anliegende Stoff wie jede enge Hülle etwas Phantasieloses hat: What you see is what you get, die Einbildungskraft wurde vor die Tür gesetzt.

Um wie viel schöner ist der Pyjama! Klassischen Zuschnitts, mit weiten Hosen und einem Oberteil, das Jacke und Hemd in einem ist. Gestreift, lieber fein als breit, lieber in hellen als in dunklen Tönen, lieber nicht aus einem infantilen Material wie Jersey oder Flanell, sondern aus Seide oder fein gesponnener Baumwolle. Die knittert auf sublime Weise, und sie zu berühren ist fast so gut wie die Haut darunter zu liebkosen.

Gilt das Geschenk einer Frau, so wird der klassisch geschnittene Pyjama eine Androgynität bewirken, an der sich nicht nur das Auge freut. Was in unserer geschlechtergetrennten Warenwelt leider den misslichen Nebeneffekt hat, dass, wenn Sie die Damenwäscheabteilung eines namhaften Westberliner Kaufhauses betreten, die Verkäuferin Ihnen drei Exemplare zeigen wird, von denen das erste zu teuer, das zweite in der gewünschten Größe nicht vorrätig, das dritte zu bunt ist. Versuchen Sie es daher lieber gleich im Fachgeschäft oder, sollte die zu beschenkende Freundin, Schwester, Gefährtin größer gewachsen sein, in der Herrenabteilung. CN

Sozialstudie

Ja, die Wirklichkeit – was wären wir ohne sie! Jedenfalls: Wir empfehlen, die Chance auf teilnehmende Beobachtung der heutigen bundesrepublikanischen Großstadtrealität zu verschenken. Geht ganz einfach. Sie gehen einfach zu einem beliebigen Apartmenthochhaus in Berlin – in Hamburg östlich der Alster, in Kiel zum Beispiel in Mettenhof – und mieten sich dort eine Einzimmerwohner. Einzige Bedingung: Das Hochhaus muss vor 1980 gebaut worden sein.

Sie werden sehen: Es sind in der Regel Wohnungen frei, und wenn Sie nicht gerade Ihr Gehalt verpfändet haben, kriegen Sie sie auch (es sei denn, Sie weichen erheblich vom Normalprofil der taz-LeserInnen ab). Am nächsten Tag kündigen Sie die Wohnung wieder. Da es eine Kündigungsfrist gibt, können Sie so drei Monate beste Bedingungen für Sozialstudien verschenken. Dieser Tipp ist übrigens in keiner Weise hinterhältig oder ironisch gemeint. Sie werden nämlich feststellen, dass manche Nachbarn nett sind, manche nicht, dass es manchen Menschen gut geht, manchen nicht – dass es aber, alles in allem viel differenzierter zugeht, als viele wohl meinende Elendsszenarios es beschreiben.

Die Kosten für dieses Geschenk betragen übrigens so um die 1.200 € – die Kaution kriegen Sie ja zurück. DRK

Kabelentzwirler

Es muss eine genetische Veranlagung sein. Wer sich in einem Großraumbüro umsieht, wird feststellen, dass es eine gewisse Zahl von Menschen gibt, die nicht in der Lage sind, ihr Telefonkabel in einem ansprechenden Zustand zu halten. Auf den Schreibtischen dieser Menschen hat sich die in Spiralen gewundene Schnur, die den Hörer mit dem Telefon verbindet, zu unansehlichen Formationen zusammengezogen. Nun muss entweder der Kopf in Höhe der Schreibtischplatte gehalten oder gleich der gesamte Apparat ans Ohr genommen werden – ein entwürdigender Anblick für die Bürokollegen.

Physikalisch ist dieses Phänomen darauf zurückzuführen, dass der Hörer samt Kabel nach jedem Gebrauch um 360 Grad gedreht und dann in anmutigem Schwung zurück an seinen Platz gelegt wird. Damit erhöht sich die Spannung der Schnur, und irgendwann, wenn der kritische Punkt erreicht ist, verwandelt sie sich Schnur in eine Wurst. „Detangler“ lautet die englische Fachbezeichnung für die Lösung dieses Problems, die hierzulande den schönen Namen „Kabelentzwirler“ (bei Conrad Elektronik für 4,95 €) bekommen hat: Ein drehbares Verbindungsstück wird in die Schnur eingesetzt und entlastet sie, so dass sie sich nach dem Gebrauch wieder zu einer sanft geschwungenen Ellipse formen kann. Stoppt Schnurwürste, verschenkt Kabelentzwirler! MEN

Dicke Gardinen

Insbesondere für Freunde gedacht, deren Winterdepression durch die Weihnachtsbeleuchtung ihrer Nachbarn unerträglich wird. Funkelnden Weihnachstmännern, Lichterketten in allen möglichen Farben und Elektrokerzen wird einfach eine Gardine vorgeschoben. Extradick und im weihnachtlichen Grün läßt es dennoch Festtagsstimmung aufkommen. Mit ca. 15 € für zwei Fenster ist sie definitv günstiger als jede leuchtende Geschmacklosigkeit – von der Stromrechnung mal ganz abgesehen.

Und das Beste: Sie ist im jedem Kiezkaufhaus erhältlich. Keine Ikea-Schlangen, keine überfüllten Elektroläden. Statt dessen blondierte Verkaufsmamsells, die einen beim Namen ansprechen. Und im Gegensatz zu anderem Weihnachtstinnef auch noch mulitfunktional. Wenn die drohende Rezession dicker kommen sollte als erwartet, einfach abhängen und als Tischdecke oder Wickelrock benutzen.

AYGÜL

Wasserpfeife

Nach Power-Yoga, Tae Bo und kryptobuddhistischen Motivationsseminaren, mit denen sich die tragischen Helden der New Economy bis zuletzt fit gehalten haben, ist es jetzt an der Zeit für einen ganz anderen Ethnotrend: Für einen, der die Rezession vergessen hilft. Wer da mit seinem Geschenk ganz vorneweg sein möchte, kauft deshalb noch heute eine Wasserpfeife.

Im Orient schon immer ein beliebter Kaffehausbegleiter, erfreut sich die Wasserpfeife nun auch im Westen zunehmender Beliebtheit. Schenkt man den Lifestyle-Auguren Glauben, dann wird die altmodische Standard-Wasserpfeife – Arabisch: Schischa, Türkisch: Nargile – der Kultgegenstand des kommenden Jahres. Kein Wunder, lassen sich im Rauch aus der Flasche doch locker Zeit, Raum und Alltagssorgen in hübsche kleine Rauchkringel auflösen. Zudem ist eine Wasserpfeife kein teurer Luxus, und lässt sich in jedem besseren türkischen Laden erstehen. Der Preis hängt ganz von der Größe des gewünschten Objekts ab – und natürlich vom persönlichen Verhandlungsgeschick. BAX

Schlanker Karl

Das ist das Schöne am Aufgeklärtsein: Man kann den Schaden begrenzen. Wer also schon heute weiß, dass er oder sie nach den Feiertagen wieder voller Reue sein wird und voller Schuldgefühle, weil er oder sie wieder viel zu viel gegessen haben wird, der kann sich heute schon über die Kur informieren: Karl Lagerfelds/Jean-Claude Houdrets’ „3D Diät“ (Steidl Verlag, Göttingen 2002, 14,80 €). Auch wenn es mir so schien, als ob Lagerfeld auf den Fotos in der letzten Vogue schon wieder so etwas wie einen BAUCH zeigte: Man muss zugeben, dass der Anblick des plötzlich erschlankten Modemachers sensationell war.

Natürlich besteht auch Karls Diät wie alle anderen vernünftigen Diäten darin, wenig und doch ausgewogen zu essen. Allerdings: Anders als beim dicken Joschka gibt es bei Lagerfeld keinen langen Lauf zu sich selbst. Dafür ist Lagerfeld doch zu cool. Statt dessen also Rezepte und ein hübsches Interview mit der Interview-Chefin Ingrid Sischy. Irgendwo erzählt Lagerfeld, dass er immer dachte, er sei – weil er nie rauchte und nie viel Alkohol trank – schrecklich langweilig, weshalb er sich vornahm, wenigstens amüsant und unterhaltsam zu sein. Ich hätte da eine lange Liste von Leuten, denen eine solche Kompensation ihrer Mängel wohl anstünde. WBG

Turandots Schürze

Vor Jahren las ich in einem Roman, wie der König in Neapel die Oper besuchte und dort in seiner Loge dinierte. Wenn das Vorspiel der Komischen Oper zu Ende ging, schrien die Köche in der Küche „Schmeißt die Spaghetti ins Wasser“. Wurde die Pasta serviert, begann der zweite, tragische Teil. Die Soße aber tropfte manchmal über die Logenbrüstung und ihr Geschmack entschied darüber, ob der Komponist einen weiteren königlichen Auftrag erhielt. Das ist die Vorgeschichte zu der Geschenkkombination „Turandot“ und Küchenschürze, nicht unbedingt für Opernfans geeignet, aber für alle, die bei Musikgewalten nicht gern stillsitzen. Man sollte dies auch nur an Leute verschenken, von denen man zum Essen eingeladen werden möchte.

Also, man braucht eine CD mit Musik von Puccini oder Strauss (Wagner lieber nicht), die beim Kochen aufzulegen ist, und eine Schürze. Die Schürze, möglichst aus glatten, einfarbigem Baumwollstoff, gerade geschnitten, ohne Rüschen, mit einer großen Tasche, stärkt die Kompetenz am Herd. Es rührt sich beherzter in Suppen und Soßen. Zum ersten Akt legt man die Zutaten zurecht und schnippelt vor, was später, wenn Folter und Liebestod drängen, ruckzuck griffbereit liegen muss. So eine Oper mit drei Akten bietet schon Zeit für einige Gänge. Läuft das Finale noch, während die Gäste kommen, beschleunigt das den Schritt zwischen Küche, Tisch und Wohnungstür. Opern-CDs gibt es überall. Schwieriger ist der Kauf einer Schürze, die der verantwortungsvollen Rolle des Kochens angemessen ist und einen nicht mit albernem Schnickschnack zur Minna macht. KBM

Nacht daheim

Eine Low-Budget-Reise im Stillstand: In diesen Tagen, da alles zu teuer ist, die Tage zu bleiern, um sich selbst mit der Aussicht auf Flucht zum Bahnhof oder Flughafen zu bewegen, eine echte Alternative. Eine Nacht im Backpacker-Hostel in Ihrer Stadt, was für ein angenehm billiges und unaufgeregtes Abenteuer. Seit den Sechzigerjahren gibt es sie, vor allem in Asien, für Hippies und andere, manchmal nur mittelfristige Aussteiger. Mit den Billigreisenden kam die Idee zurück nach Europa, zuerst nach Großbritannien, Frankreich und die Niederlande. Seit dem Mauerfall machen sie nun auch in Deutschland den Jugendherbergen Konkurrenz, in Berlin, Köln, Hamburg und vielen anderen großen Städten. Für um die 15 € bekommt man hier ein Bett im Schlafsaal, ab 30 € eins im Einzelzimmer.

Man wird zwar kein Telefon und Fernseher auf dem Zimmer finden, dafür aber viele neue Freunde aus Australien oder Amerika, entspannte Kumpels auf der Durchreise, die mit ihrem „Lonely Planet“ vor der Nase die Städte erkunden, in denen wir leben. Sie werden uns eine neue Sicht auf unseren Alltag schenken und für einen kurzen Moment werden wir uns herrlich provisorisch und wie woanders fühlen – und gleichzeitig doch ganz bequem daheim. SM