Glückspfennigfuchser

„Eindeutig nicht kommerziell“ will ausgerechnet Friedrich Küppersbusch mit seinen – ausgerechnet! – Konsumtipps sein („Was ihr wollt!“, ZDF)

Das Gesamtbild der Sendung tendiert allzu selten ins Nadelstichige

von BERND MÜLLENDER

Friedrich Küppersbusch verdreht ein wenig die Augen. Ja, das sei er schon mehrfach gefragt worden, warum er, der „zak“-Mann mit frühem Legendenstatus und wortsprudelnde Politmensch, jetzt in Konsum- und Kommerzthemen mache. „Aber es ist ja nicht so“, sagt er dann mit Ausrufezeichen hinter jedem Wort und zählt auf, was in der Pilotfolge von „Was ihr wollt!“ alles „eindeutig nichtkommerziell“ sei. „Ich kann das gut gucken“, spricht sein Gewissen, „und mich als konsumkritischer Mensch bestätigt fühlen.“

Küppersbusch (41) ist Produzent der neuen Arte- und ZDF-Serie. Jeden Samstag läuft im Senderschema „Savoir Vivre“ das neue unmoderierte „Verbrauchermagazin“. Es soll, so die Arte-Werbung, um Klasse statt Masse gehen, „getreu dem Motto: Es gibt sie noch, die guten Dinge …“ Gefilmtes Manufactum?

Beitrag 1 in Folge 1 war der Starfotografin Herlinde Koelbl gewidmet: atemberaubend gefilmt, so, als arbeite der Kameramann mit einer Fotografen-Knipse. Koelbl huldigt ihrer schön abgegriffenen 1925er Leica R 7, die immer noch zuverlässig „mit mir fotografiert“. „Ich und mein Ding“ heißt die Rubrik. Küppersbusch sagt: „Wie zweideutig das klingt, ist uns zu spät aufgefallen.“

Der Beitrag übers Siebenminutenpils ist, freundlich gesagt, banal. Der über die beiden Schweizer Cleverles, die aus alten Lkw-Planen, alten Sicherheitsgurten und Fahrradschläuchen chice Taschen machen zum Kultpreis von 150 Euro das Stück, belegt Markenfetischismus auf nette Art. Wenn Koelbl am Ende in der Rubrik „Konsumier mit mir“ empfielt, den Mondschein morgens um fünf zu goutieren, ist das richtig niedlich; wenn sie vom Kauf von Maxiröcken abrät, bleibt man irritiert zurück. Aha. So. Was soll das?

Dafür sind die fünf Minuten über die Spezies der Sounddesigner umso spannender – und viel zu kurz. Eine Mikrofonsonde fährt einen neu entwickelten Automotor ab, um den Krach („das Getriebe singt“) quadratzentimeterweise zu erkunden und durch punktgenaue Dämmung und Nichtdämmung das lockendste Geräusch für den Konsumenten zu filtrieren. Staubsaugerschalter müssen klacken, damit der Verbraucher eine akustische Belohnung bekommt. Und die Bahn ist absichtlich so laut, wie sie ist, erzählt ein Geräuschdesigner. Ihre Wagen ließen sich für wenig Geld ruhiger stellen, aber die Bahn will nicht. Denn viele Bahnfahrer lieben die Unterhaltung. Ist es zu leise, trauen sie sich nicht. Ein Phänomen, das man bei Bahnhofsstopps selbst hören kann: Viele verstummen dann verschämt.

Solche Geschichten sind es, die Küppersbusch faszinieren: Abwegiges, Skurriles, „nicht die Produkte selbst, sondern ihre Geschichten, ihre Beziehung zum Menschen“. Demnächst lernen wir, warum Schuhe, die jeder als Budapester identifiziert, aus Schottland stammen. Und warum die ganze Welt Irish Coffee kennt, nur der Ire nicht. Und ob der Capri-Fischer Capri-Hosen trägt.

Irgendwann, erzählt Küppersbusch, möchte er mal zum Müsli-Mann Herrn Seitenbacher – das ist der mit der unsäglichsten Werbung seit Erfindung der Verführungskunst – um herauszubekommen, „ob sein Produkt so schmeckt, wie dieser Sprecher reden darf“.

Es bleibt ein Restgefühl von Beliebigkeit. „Lust auf neue Lebensart“ will das ZDF machen – ausgerechnet in einer Zeit, die, teilweise unfreiwillig, durch Lust auf Verzicht gekennzeichnet ist. Bleibt nicht ohnehin zu wenig Platz für Nadelstiche? Küppersbusch verteidigt sein Konzept indirekt: „Die Stiftung Warentest sagt auch nicht: Das Produkt kriegt zwar ein ‚Gut‘ testiert, aber kaufen braucht man es trotzdem nicht.“

Wo ist die Distanz, zumindest die Küppersbusch-ironische? Da spricht der Macher ernstelnd vom „mündigen Verbraucher“. Am 21. 12., in Folge 2, stellte übrigens Wiglaf Droste seine Kochjacke als sein Lieblingsding vor. Pressetext: „Scharfe Worte und scharfe Saucen sind seine Markenzeichen.“

Gibt es product placement? Küppersbusch sagt empört: „Natürlich nicht!“ Im Serientrailer mit schnellen verwischten Kameraschwenks taucht indes gleich eine Kaffeemarke auf, nennen wir sie „yilli“. „Kann man das wirklich noch erkennen?“, ist Küppersbusch erschrocken, „wir haben es extra schon gekontert. Dann müssen wir es eben noch auf den Kopf stellen.“ Oder Rot durch Blau ersetzen.

Vielleicht ist unser aller Problem, dass wir als kritische Kaufmenschen den Konsum immer im Reflex problematisieren müssen. Vielleicht aber sind Geld und Konsum auch nicht Küppersbuschs allervörderste Welt. Als ihm ein Cent aus der Hand fällt, sucht er ihn gleich und sagt, schwer verspätet: „Das ist doch mein Glückspfennig.“

Samstags, 16.45 Uhr. Auf Arte und im ZDF im Wechsel