Auch die Saudis müssen sparen

Im Königreich auf der arabischen Halbinsel geht es wirtschaftlich bergab. Die Arbeitslosenrate steigt, und die Regierung braucht neue Einnahmequellen. Doch worauf verzichten? Den Urlaub? Den französischen Käse? Oder das Dienstmädchen?

Wir sind kein Volk, das an die Zukunft denkt. Vielleicht, weil wir in Gott vertrauen

aus Jiddah REEM YESSIN

Mit ihrer Einkaufslust sind die Saudis ein weltweites Phänomen. Egal ob bei Gucci oder Chanel, in Paris oder London, die Käufer aus dem Königreich auf der arabischen Halbinsel sind über und über mit Tüten beladen. Der plötzliche Ölpreisboom in den Siebzigerjahren hatte das Land, eines der ärmsten der Welt, sehr schnell in einen Wohlstandsstaat verwandelt. Aber seit etwa sechs Jahren sieht die Zukunft nicht mehr rosig aus. Die Arbeitslosigkeit liegt bei zwanzig Prozent, und das Bruttosozialprodukt je Einwohner beträgt rund 7.000 Dollar, verglichen mit 27.000 Dollar vor zwanzig Jahren. Hinzu kommt, dass vierzig Prozent der Bevölkerung Saudi-Arabiens jünger als sechzehn Jahre sind. Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage stellt Wohlstand und Lebenstil in Frage.

Die meisten mittelständischen Familien in Saudi-Arabien machen zwei oder dreimal im Jahr Urlaub. Die Abwechslungsmöglichkeiten im Lande selbst sind gering, ganz gleich, ob man im konservativen Riad oder in der Küstenstadt Jiddah lebt. Abgesehen von unzähligen modernen Einkaufszentren hat ein Saudi – egal, ob Mann oder Frau – sehr wenig Abwechslung und Unterhaltung. „Mein Gehalt ist nicht besonders hoch, etwa 900 Euro im Monat“, sagt die 23-jährige Lehrerin Sultana, „das meiste davon gebe ich für Klamotten und Essen mit Freunden aus. Kurz vor der Urlaubszeit fang ich an zu sparen.“

Viele junge Leute treten ihr Berufsleben mit zehn bis zwanzig Prozent weniger Lohn an als vor zehn Jahren. Da müssen Abstriche gemacht werden, abhängig von den jeweiligen Ansprüchen. Ob eine Hausfrau im vollgepackten Großhandel ihren monatlichen Einkauf machen möchte oder im bequemeren Supermarkt, ist ihre Angelegenheit. „Klar, die Preise sind eindeutig gestiegen. Aber meiner Meinung nach gibt es für mich keine Kompromisse. Im Großhandel finde ich keine hochwertigen Lebensmittel wie französischen Käse oder eine große Auswahl an Delikatessen“, sagt die ehemalige Lehrerin Rabha N. Ändert sie ihr Einkaufsverhalten denn gar nicht? „Nein, das sehe ich nicht ein, ich passe aber auf, dass kein Essen verschwendet wird.“ Die Esskultur ist in der arabischen Welt wichtig, daran wird ungern gespart.

Anders sieht es im Konfektionsbereich aus. Mit der wirtschaftlichen Öffnung in diesem Sektor kann der Mittelstand nun zwischen Billigwaren aus Taiwan oder China und europäischen Markenartikeln wählen. „Dies ist wirklich eine Wandlung in unserer Gesellschaft, ein wahrer Luxus, in den letzten zehn Jahren haben eine ganze Reihe preiswerterer Geschäfte aufgemacht, die das Einkaufen einfacher machen“, meint Dina, eine 36-jährige Hausfrau und Mutter von zwei Kindern. „Als ich Studentin war, musste ich immer auf meinen Urlaub warten, um Kleidung für die Universität zu kaufen.“

Bei einer Haushaltsverschuldung von 180 Milliarden Dollar greift die Regierung allerdings auch dem Familienoberhaupt in die Tasche. Dienstleistungen, die früher umsonst oder für wenig Geld geboten wurden, kosten heutzutage mehr, obwohl sie im Vergleich zu europäischen Ländern immer noch preisgünstiger sind. So hat sich der Preis für Flugtickets um zwanzig Prozent erhöht, und Hausangestellte sind auch teurer geworden. „Jeder braucht ein Dienstmädchen, das ist kein Luxus wie in Europa, es gehört zu unserem Lebensstil. Durch die Preissteigerung werden Leute nicht weniger Hausangestellte haben, aber vielleicht ein bisschen sparsamer sein“, meint der Arzt Tawfik R. Nicht viele Menschen leiden ernsthaft unter den Preissteigerungen, aber es gibt sie. „In den letzten Jahren haben sich fast alle Regierungsleistungen verteuert, aber es gibt keine Alternative dazu. Ich habe mich darauf eingestellt. Das Problem vieler Saudis ist, dass sie keine langfristigen Pläne gemacht haben.“

Sagt uns diese Andeutung, dass es mit Saudi-Arabien bergab geht? Politische Beobachter gehen davon aus, dass sich die Saudis keine Sorgen zu machen brauchen, solange die Benzinpreise hoch sind. Ernst wird es erst dann, wenn eine Alternative zum Erdöl gefunden wird. „In meinen Augen ist es nicht falsch, dass die saudische Regierung versucht, ein bisschen Ordnung in ihrem Wohlfahrtssystem zu schaffen“, fügt Tawfik R. hinzu.

So werden Elektrizitäts- und Wasserpreise erhöht, von einem Niveau aus, das Beobachtern anderer Länder unvorstellbar niedrig scheint. Damit besorgt sich die Regierung eine neue Einkommensquelle. Nicht allen Bürgern sind diese Änderungen bewusst, und andere wiederum verstehen nicht, warum sich die Dinge geändert haben und die Ausgaben plötzlich gestiegen sind. Es gibt auch solche wie der Arzt Tawfik R., der sich auf die Veränderungen eingestellt hat.

Doch er ist lediglich eine Ausnahme. „Wir Saudis sind kein Volk, das an die Zukunft denkt. Vielleicht ist das so, weil unser Vertrauen in Gott so groß ist, und wir glauben, dass die Zukunft in seiner Hand liegt, und es wird eh so kommen, wie es kommen soll“, meint Hanya N., eine 60-jährige Hausfrau.

Trotzdem wird die schlechtere wirtschaftliche Lage den saudischen Lebenstil nicht grundsätzlich verändern. Die Bevölkerung wird sich allerdings daran gewöhnen müssen, verstärkt zu planen und etwas auf die hohe Kante zu legen. Nicht etwa, weil es momentan eine weltweite Rezession gäbe, sondern weil die Zukunft nicht mehr so sicher ist wie vor zwanzig Jahren, und vor allem, weil sich die Technologie dermaßen schnell entwickelt und es möglicherweise bald eine Alternative zum schwarzen Gold geben wird. Aber auch in Saudi-Arabien gibt es Gesellschaftsschichten, die von solchen Entwicklungen und Einschnitten im persönlichen Budget verschont bleiben.