Noch zehn Tage Zeit für Schlichtung

Tarifparteien im öffentlichen Dienst einigen sich über den Zeitplan für die Verhandlungen. Schlichter Koschnick sieht Chancen, einen Streik zu verhindern, optimistisch bei 2:1. Gewerkschaften signalisieren Entgegenkommen bei Laufzeit von Tarifverträgen

von MATTHIAS BRAUN

Knapp zwei Wochen haben deutsche Haushalte noch, um ihre Mitfahrgelegenheiten zum Arbeitsplatz zu organisieren und zusätzliche Vorräte an Mülltüten anzulegen. Denn ob Mitte Januar regelmäßig der Hausmüll abgeholt wird und die öffentlichen Verkehrsmittel pünktlich fahren, das entscheidet sich spätestens am 9. kommenden Monats.

Auf diesen Zeitplan haben sich die Tarifparteien im öffentlichen Dienst geeinigt. Die Schlichtungsverhandlungen zwischen der Gewerkschaft Ver.di und den Arbeitgebern im öffentlichen Dienst wurden am Samstag auf den 2. Januar vertagt. Drei Tage später wollen die beiden Schlichter, Hinrich Lehmann-Grube und Hans Koschnick, einen Kompromiss formuliert haben. Bis zum 9. Januar müssen Gewerkschaften und Arbeitgeber entscheiden, ob sie den Vorschlag annehmen. Andernfalls wäre der Schlichtungsversuch gescheitert. Koschnick verbreitete am Wochenende Zweckoptimismus. Die Chancen für eine Einigung stünden „zwei Drittel zu einem Drittel“.

Auch nach dem Treffen der 20-köpfigen Schlichtungskommission am Samstag liegen die Positionen jedoch weit auseinander. Bislang lautet das Angebot der Arbeitgeber, den Lohn bis September 2003 um knapp 1 Prozent zu erhöhen und danach 1,2 Prozent mehr zu zahlen. Gleichzeitig wollen sie die Arbeitszeit in den alten Bundesländern um 30 Minuten verlängern. Die Gewerkschafter hatten während der regulären Tarifverhandlungen mindestens 3 Prozent mehr Lohn und Gehalt gefordert. Zur Verhandlungsmasse der Gewerkschaften scheint derzeit die Laufzeit des neuen Tarifvertrags zu gehören. „Ich kann mir eine Laufzeit zwischen 15 und 17 Monaten vorstellen“, signalisierte Hartmut Limbeck, Chef des mitgliederstärksten Ver.di-Landesverbands Nordrhein-Westfalen, ein mögliches Entgegenkommen. Bislang hatte Ver.di eine Laufzeit von 12 Monaten gefordert. Bereit zu einem Kompromiss zeigte sich auch Ver.di-Sprecher Harald Reutter: „Wir wollen alles versuchen, um am Verhandlungstisch zu einer Lösung zu kommen.“

Die Arbeitgeberseite warnt indes davor, dass zahlreiche Kommunen sich aus dem Arbeitgeberverband zurückziehen könnten. Schon das bisherige Angebot der öffentlichen Arbeitgeber sei nur von einer knappen Mehrheit der Kommunen getragen worden, sagte Emil Vesper, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände in Nordrhein-Westfalen. Dass der Austritt des Landes Berlin aus dem Flächentarifvertrag Schule machen könnte, befürchtet auch Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds.

Die beiden Ex-SPD-Bürgermeister Lehmann-Grube (Leipzig) und Koschnik (Bremen) hatten schon 2000 den Tarifstreit im öffentlichen Dienst geschlichtet. Vor zwei Jahren konnten die Gewerkschaften nur knapp von einem Streik abgehalten werden. Den letzten großen Ausstand gab es 1992. Elf Tage lang wurden damals die Mülltonnen nicht geleert und fuhren keine Nahverkehrsmittel.