Architektur: Der Lehm, der Bambus und die Leute vor Ort
Der Berliner Architekt Eike Roswag plant Projekte mit natürlichen Baustoffen. Für eine Schule in Bangladesch erhielt er den bedeutendsten Architekturpreis der islamischen Welt.
Direkt neben dem Eingang steht ein Regal, das zum Tresen umfunktioniert wurde. Dahinter stapeln sich Mappen und Zettel auf Eike Roswags Schreibtisch. An der Wand lehnen plakatgroße Tafeln, die vergangene Projekte dokumentieren. Und dann stapelt noch ein Mitarbeiter ein paar frische Lehmplatten auf den Tresen. Zur Begutachtung für das nächste Projekt.
Für den Bau einer Grundschule in Bangladesch hat der Berliner Architekt Eike Roswag zusammen mit der Österreicherin Anna Heringer den Aga Khan Award gewonnen. "Wichtig an diesem Preis ist, dass neben den Architekten auch Bauherren und Handwerker beteiligt werden", betont Eike Roswag. Die Schule steht in Rudrapur, rund sechs Autostunden nördlich von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka.
Mit der 1977 vom geistlichen Oberhaupt der muslimischen Ismaeliten, Prinz Karim Aga Khan, gestifteten Ehrung werden herausragende Architektur- und Restaurationsprojekte in der islamischen Welt gewürdigt. Alle drei Jahre bestimmt eine internationale Jury der in Genf ansässigen Stiftung die Preisträger.
Unter 343 Projekten wurden diesmal 9 ausgezeichnet. Sie teilten sich das Preisgeld von 500.000 Dollar (rund 366.000 Euro). Das von Roswag und Heringer geplante Gebäude sei "schön, einfach und human", hieß es bei der Preisverleihung.
Auch bei der letzten Vergabe des Preises 2004 wurde ein in Berlin lebender Architekt geehrt. Diébédo Francis Kéré bekam ihn für den Bau einer Dorfschule in seinem Heimatland Burkina Faso.
Roswag mag es, wenn es drunter und drüber geht. "Auf der Baustelle herrschte ein ganz schönes Tohuwabohu", erzählt der Architekt von seinem bisher erfolgreichsten Bau. Das war zwar kein himmelstürmender Glasturm, sondern nur eine Grundschule in Bangladesch. Doch Roswag wurde dafür mit dem Aga Khan Award ausgezeichnet, dem höchsten internationalen Architekturpreis der islamischen Welt (siehe Kasten).
Das Projekt "School handmade" entstand in einer ländlichen Region des südasiatischen Landes. Für das Schulgebäude hat Roswag ausschließlich die dort üblichen Materialien Lehm und Bambus verwendet, um sich der lokalen Tradition anzupassen. Besonders wichtig sei dabei gewesen, das Wissen, das er sich in seinem Beruf angeeignet hätte, an die Einheimischen weiterzugeben, um "Hilfe zur Selbsthilfe" zu leisten. An dem Bau hätten sich daher auch lokale Arbeiter, SchülerInnen, Lehrkräfte und Eltern beteiligt.
Dem 38-Jährigen ist der natürliche Werkstoff nicht fremd. Seine Liebe zum Lehm, erzählt er, habe er bereits zu Beginn seines Studiums der Architektur an der Technischen Universität Berlin entdeckt. Ökologisches Bauen war der Bereich, der ihn von Anfang an interessierte habe. Und Lehm sei ein reines Naturprodukt, ein "gesunder, ressourcenschonender Baustoff", dessen Potenzial er bald erkannt habe. Besser als jedes andere Material könne er Feuchtigkeit puffern und so Kälte abhalten. In den 90er-Jahren baute er eine Mauer aus Stampflehm in einem besetzten Haus. "Die steht immer noch", sagt Roswag.
Den entscheidenden Anstoß bekam Roswag aber erst 1998 bei dem zweimonatigen Praxisprojekt "Studenten bauen in Mexiko". Dort baute und restaurierte er Dorfgemeinschaftshäuser. Vor Ort lernte er Christoph Ziegert und Uwe Seiler kennen. Mit den beiden gründete er später das Berliner Büro ZRS.
Der Aga Khan Award ist bereits die sechste Auszeichnung, die Roswag für eines seiner Lehmprojekte bekommen hat. Eins davon hat er ganz in der Nähe in Brandenburg realisiert. Aber seine Kunden findet er auf der ganzen Welt. Vor drei Tagen ist er aus Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias, zurückgekehrt und muss in wenigen Stunden in den nächsten Flieger nach Abu Dhabi steigen. Dort wartet in der Wüste das aktuelle Bauprojekt auf ihn. Natürlich wird auch dort wieder Lehm zum Einsatz kommen.
"Ich sitze eben gern im Dreck", erklärt Roswag seine Vorliebe für den erdigen Stoff. Bei all seinen Projekten legt er selbst Hand an, anstatt in Anzug und Krawatte neben der Baustelle zu stehen. Seine Tischlerlehre, die er vor 15 Jahren absolvierte, hat nicht unwesentlich zu dieser Einstellung beigetragen. "Man kann solche Projekte nicht machen, wenn man kein Handwerker ist", sagt er. Und den sieht man ihm an, so drahtig und braun gebrannt, wie er einem gegenübersitzt.
Die Schule in Bangladesch war für Roswag mehr als ein Einsatzort für seine handwerklichen Fähigkeiten. "Da hing mein Herz dran", betont der Architekt. Es sei ein unheimliches Glück gewesen, diese Erfahrung gemacht zu haben. Denn dort habe er Menschen kennen gelernt, die viel selbstverständlicher mit auftretenden Problemen umgingen. "Tatsächlich ist in der gesamten Bauzeit nicht einmal das Wort 'Problem' gefallen", sagt er. Das Team errichtete das zweigeschossige Gebäude 2005 innerhalb von vier Monaten.
Beim Bau orientierte sich Roswag auch am Bildungskonzept der Schule, das ähnlich der Montessori-Pädagogik die Kinder in ihrer eigenen Entwicklung unterstützen soll. "Meti-School" wird die Schule daher genannt - Modern Educational Training Institute. Mit "Rückzugshöhlen" und einem luftigen Obergeschoss aus Bambus "ist die Schule eigentlich das gebaute Konzept von Meti", erklärt Eike Roswag. Das Lehmgebäude stelle somit obendrein ein Stück Friedensarbeit dar.
Die prominente Auszeichnung kam für Roswag völlig unverhofft. Schon weil es sich ja um alles andere als ein "Business-Projekt" gehandelt habe. Die Baukosten betrugen gerade mal 20.000 Euro. "Verdient haben wir dabei nichts, außer dem Preisgeld, das wir untereinander aufgeteilt haben. Das können wir natürlich trotzdem gut gebrauchen", lacht er, und kleine Grübchen bilden sich um seine Mundwinkel.
Neben Lehmbau hat er sich auf Forschung und Energieberatung spezialisiert. Mit diesen Fachkenntnissen will er künftig noch einiges in der Bauwelt umkrempeln. Ganz nach dem Motto seines 83-jährigen Vaters: "Das können wir noch machen, wir sind doch noch jung!"
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