Architektur: Kein Ufo auf der grünen Wiese
Bund Deutscher Architekten Berlin sieht Perspektiven für sozialen Wohnungsbau nicht auf Tempelhofer Feld, sondern mitten in der Stadt. Ausstellung in der BDA-Galerie zeigt Entwürfe.
Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) hat es nun wahrlich nicht einfach. Die eigene Partei macht ihm zu schaffen. Nun legen sich auch die Architekten bei seinem Lieblingsthema – über 30.000 neue Wohnungen für Berlin – quer: Massiven Wohnungsbau auf großen freien Flächen wie auf den Flugfeldern in Tempelhof und Tegel oder auf den Moabiter Brachen stellen die Architekten zur Disposition. Die „Perspektiven des sozialen Wohnungsbaus“ liegen ihrer Ansicht nach auf anderen Gebieten und an anderen Orten: im urbanen Neubauprojekt, beim Umbau, in der Verdichtung der Stadtmitte und Radialen sowie der Aktivierung von Restflächen in bestehenden Stadtquartieren.
Der Berliner Bund Deutscher Architekten (BDA Berlin) hat zum aktuellen Thema in seiner Ausstellungsreihe „40/40“ rund dreißig Architekten um Entwürfe gebeten, die der Fragestellung nachgehen sollten, „wo und wie der soziale Wohnungsbau in Berlin stattfinden kann“, wie Kurator Andrew Alberts zur Eröffnung in der BDA-Galerie am Montagabend sagte. Die planerischen Statements der Reihe 40/40 sind in Berlin mittlerweile Kult, beziehen sie doch kritische Positionen zur Stadtbaupolitik – zuletzt zum Humboldtforum und zur geplanten Landesbibliothek.
Die Eröffnungsrede von Klaus Theo Brenner, Architekt und Hochschullehrer, in welcher „der soziale Wohnungsbau nicht als Ufo auf der grünen Wiese, sondern als Teil der Stadt und ihrer Geschichte“ charakterisiert wurde, spiegelten die Skizzen und Pläne geradezu.
Max Schwitalla reiht seinem Entwurf „Urban Shelfs“ (Wohnregale) entlang des S-Bahn-Grabens auf. Vera Martinez verdichtet die Karl-Marx-Allee mit Häusern auf dem Mittelstreifen – auf Kosten der sechsspurigen Autostraße. Die Architekten Steiner & Weißenberger lassen rund um den Blücherplatz ein kleines Stadtquartier entstehen, und Salomon Schindler reiht sozialen Wohnungsbau auf entlang der lückenhaften östlichen Ausfallstraßen von Mitte und Prenzlauer Berg. „Man sieht, Berlin hat jede Menge Platz, der soziale Wohnungsbau reflektiert hier die Stadt“, so Brenner. Auch inhaltlich üben die Ideen Kritik am derzeitigen Wohnungsmarkt und an der renditeorientierten Standortpolitik des Landes Berlin und der privaten Investoren.
Wo heute teure Luxusapartments gebaut werden – wie etwa am Schinkelplatz –, fordert Urs Füssler in seinem Vorschlag die „Verschönerung“ des Stadtraums durch Wohnhochhäuser, um die bauliche und soziale Durchmischung der Innenstadt zu garantieren. Sozialer Wohnungsbau darf nicht mehr Masse oder die klassische Dreizimmerwohnung bedeuten, sondern kann „Zeichen“ sein für bauliche Erneuerung.
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