: Arbeitsstätte für Ex-Junkies
■ Das Lidice-Haus ist seit drei Jahren Beschäftigungsprojekt mit Modellcharakter
Seit drei Jahren ist die ehemals kommunale Jugendbildungsstätte in Bremen Nord, das „Lidice- Haus“, jetzt ein Arbeits-und Beschäftigungsprojekt für ehemalige Drogenabhängige. Träger der Einrichtung sind der Verband Bremer Bürgerhäuser, der Stadtjugenring, die Bremer Sportjugend und das Olof-Palme-Institut. Genossenschaftlich konzipiert führt die Bremer Hilfe im Lidice-Haus gleichzeitig und per Kooperationsvertrag ein Modellprojekt durch: Auf dem Gelände lebt eine Wohngemeinschaft von 6 Ex-Junkies mit Betreuer, von denen einige in den Arbeitsalltag der Bildungsstätte integriert sind. Konzeptioneller Bestandteil der Jugendbildungsstätte ist dabei auch, in allen Arbeitsbereichen Ex-User einzusetzen.
Über ABM-Verträge und Beschäftigungsverhältnisse nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG 19, vom Sozialamt finanziert) arbeiten zur Zeit sechs ehemalige Drogenabhängige in Küche, Hauswirtschaft und der Bautruppe des Hauses. Die Gruppe der Bauhandwerker ist in der dreijährigen Geschichte des Projektes stark geschrumpft: Denn bis auf wenige Feinarbeiten ist die Sanierung des Gebäudekomplexesin Eigenarbeit mittlerweile fast abgeschlossen. Die Baukolonne war mit der Option, in andere Arbeitsbereiche übernommen zu werden, beschäftigt worden. Dies wurde auch durchgehalten, bestätigt Heiner Erling, Geschäftsführer der Lidice-GmbH. Die ersten seien nach ausgelaufenem Vertrag mit ihren Zeugnissen inzwischen in den normalen Arbeitsmarkt weitervermittelt worden. Einer sei allerdings auch in die Belegschaft des Lidice-Hauses zurückgekehrt — wegen der guten Arbeitsbedingungen. „Die Leute haben sich nicht zuletzt wegen des Projekt-Gedankens stark mit dem Haus identifiziert“, beschreibt Erling das Betriebsklima — dies habe sich z.B. in den geringen Fehlzeiten gezeigt.
Trotzdem könne es nicht Ziel sein, die Ex-Junkies über die befristeten Abm-und BSHG-19- Verträge hinaus im Haus zu beschäftigen. Erling: „Das ginge an unserem Klientel vorbei.“ Andere sollten auch ein Chance bekommen, und die Zahl der Bewerbungen übersteige die verfüg-und finanzierbaren Plätze bei weitem.
Erst in jüngster Zeit sei in dem Beschäftigungsprojekt das Problem der Rückfälligkeit überhaupt aufgetaucht. Im Lidice- Haus herrscht in den Arbeitsbereichen absolutes Alkohol-und Drogenverbot: Die MitarbeiterInnen müssen strikt clean sein. Nicht nur wegen der oft jugendlichen Gäste-Klientel, auch zum eigenen Schutz und dem der KollegInnen, deren Standhaftigkeit sonst leichtfertig auf die Probe gestellt würde. Einige der MitarbeiterInnen sind schon seit etlichen Jahren clean.
Für Rückfällige wirkt der Kollegenkreis als Korrektiv: eine strukturell verankerte Anlaufadresse für Betroffene oder Gefährdete gibt es bisher nicht. Die Geschäftsführung nennt allerdings den Therapeuten der Wohngemeinschaft als Kontaktperson, der zum Beispiel auch in der häufig notwendigen Schuldenberatung helfe.
Rausgeschmissen werde ein rückfällig Gewordener nicht, betont Erling. Ihm würden aber Entgiftung und Therapie nahegelegt, der Arbeitsvertrag ruhe solange. Nicht nur das Gefährdungspotential der übrigen Ehemaligen, auch die Beleger der Jugend-Bildungsstätte erfordern, so Erling, „die harte Linie“ gegen sämtliche Suchtmittel, einschließlich Alkohol im Haus.
Von den insgesamt fünf Rückfällig gewordenen Mitarbeitern des Lidice-Hauses seien zwei ganz abgerutscht und aus Bremen verschwunden. Der jüngste Fall warte auf die Entgiftung in Sebaldsbrück — wobei diese (bis zu dreimonatige) Wartezeit Knackpunkt des Betreuungssystems ist: In dieser Zeit ist der Arbeitsplatz tabu, cleane Wohngemeinschaften der Bremer Hilfe ebenfalls. Wegen dieser Erfahrungen mit ihrem Kollegen will die Lidice- Haus-Belegschaft jetzt einen Ansprechpartner für solche Fälle fest installieren — evtl. in Kooperation mit den Betreuern des Wohngemeinschaftsteams der Bremer Hilfe.
Birgitt Rambalski
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen