Arbeitsmarktreform in Frankreich: Rund eine Million bei Großdemo
Am Protesttag gegen François Hollands Pläne kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei. Mindestens 40 Menschen wurden verletzt, 58 verhaftet.
Vier Tage nach Beginn der Fußball-EM in Frankreich setzten die Gewerkschaften ihre Proteste gegen die Pläne von Staatschef François Hollande für eine Lockerung des Arbeitsrechts fort. „Unsere Entschlossenheit bleibt“, sagte der Chef der Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, an der Spitze des Pariser Demonstrationszugs. Die Regierung müsse die Forderung der Demonstranten hören.
„Solange die Regierung sich nicht bewegt, werden wir den Druck aufrechterhalten“, sagte der Chef der Gewerkschaft Force Ouvrière, Jean-Claude Mailly.
Am Rande der Kundgebung spielten sich am Nachmittag in Paris gewalttätige Szenen ab: Vermummte Demonstranten bewarfen Bereitschaftspolizisten mit Gegenständen und schlugen Schaufenster ein, die Polizei setzte Tränengas und einen Wasserwerfer ein. Die Behörden sprachen von „hunderten vermummten Personen“, die Polizisten attackiert hätten. Demonstranten hätten unter anderem Paletten von einer Baustelle entwendet und auf Polizisten geworfen.
Polizei im Dauereinsatz
Nach Angaben der Pariser Polizeipräfektur gab es zunächst 58 Festnahmen. Elf Demonstranten und 29 Polizisten wurden demnach verletzt. Die Behörden riefen Demonstranten dazu auf, sich von Randalierern fernzuhalten, um den Einsatz der Polizei zu erleichtern.
Bei Protesten gegen die Arbeitsmarktreform hatten sich Demonstranten und Polizisten bereits in den vergangenen Monaten immer wieder heftige Auseinandersetzungen geliefert. Die Behörden verhängten deswegen für Dienstag Demonstrationsverbote gegen 130 Menschen, die bei früheren Kundgebungen wegen Krawallen festgenommen worden waren. Die französische Polizei ist derzeit wegen der Gefahr von Anschlägen und Hooligan-Krawallen bei der Fußball-EM im Dauereinsatz.
Die Gewerkschaften machen seit mehr als drei Monaten gegen die Pläne des Sozialisten Hollande mobil, der im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit unter anderem die 35-Stunden-Woche und den Kündigungsschutz lockern will. Mit dem Gesetzestext befasst sich seit Montag der französische Senat.
Nach Angaben der CGT, die an der Spitze der Proteste steht, wurden mehr als 600 Busse gemietet, um Demonstranten nach Paris zu bringen. Es gab aber auch in einer Reihe weiterer Städte Kundgebungen, unter anderem in Lyon, Rennes, Toulouse und Marseille. An den bislang größten Demonstrationen gegen Hollandes Vorhaben hatten Ende März nach Behördenangaben landesweit 390.000, laut den Gewerkschaften sogar 1,2 Millionen Menschen teilgenommen.
Die Gewerkschaft CGT erklärte am Dienstag, nun hätten landesweit 1,3 Millionen Demonstranten an den Kundgebungen teilgenommen und damit so viele wie noch nie seit Beginn der Proteste gegen die Arbeitsmarktreform.
Mehrere Blockaden
Aus Protest gegen die Reform gab es am Dienstag erneut auch eine Reihe von Blockaden. In Kraftwerken drosselten Mitarbeiter die Stromproduktion, im Großraum Paris wurden Hochspannungsleitungen unterbrochen. Weil Mitarbeiter streikten, musste außerdem der Pariser Eiffelturm geschlossen bleiben.
Fortgesetzt wurde auch der Streik bei der Staatsbahn SNCF, der sich nicht nur gegen die Arbeitsmarktreform richtet, sondern auch gegen eine Neuregelung der Arbeitszeiten der Bahner. Den vierten und voraussichtlich letzten Streiktag gab es am Dienstag zudem bei den Piloten der Fluggesellschaft Air France. Die Regierung hatte auf ein Ende der Streikwelle vor Beginn der Fußball-EM gehofft und fürchtet um das internationale Ansehen des Landes.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative