Arbeitsmarktexpertin über Lohngerechtigkeit: "Frauen sind doppelt benachteiligt"
Eine Studie stellt eine höhere Erwerbsquote bei Frauen fest. Dies ist kein Grund zur Freude, denn Frauen arbeiten mehr – und werden schlechter bezahlt, beklagt Claudia Menne vom Deutschen Frauenrat.
taz: Frau Menne, die gerade erschienene Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Engeltungleichheit hat festgestellt, dass die Erwerbsquote bei Frauen gestiegen ist. Das wird als Erfolg propagiert.
Claudia Menne: In meinen Augen ist das allerdings eine Mogelpackung. Es sind zwar mehr Frauen in Arbeit, aber sie bekommen viel weniger Geld. Das Prinzip ist einfach: Mehr Frauen teilen sich einfach denselben Kuchen.
Wie sieht das in der Realität aus?
leitet beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) den Bereich Frauen- und Gleichstellungspolitik und ist im Vorstand des Deutschen Frauenrates. Die 46-Jährige ist Arbeitsmarktexpertin, ihr Spezialgebiet ist Lohngerechtigkeit.
Da wird beispielsweise eine Vollzeitstelle aufgeteilt in drei oder vier Minijobs. Dadurch wird das Lohnniveau massiv gedrückt.
Minijobs gehören also abgeschafft?
Unbedingt, das fordern wir seit Jahren. Aber die neue Regierung plant, Minijobs und Teilzeitbeschäftigungen auszubauen. Seit 1998 ist die Zahl der Teilzeitbeschäftigten um 39 Prozent gestiegen. Zurzeit arbeiten 4,9 Millionen Menschen hauptberuflich in Teilzeit und über 6 Millionen in Minijobs. Davon sind zwei Drittel Frauen.
Welche Branchen sind besonders stark von Lohnungleichheit betroffen?
Vor allem jene, die nicht exportorientiert sind: Pflegekräfte, GebäudereinigerInnen, FriseurInnen, Einzelhandels- und BäckereiverkäuferInnen und ArbeiterInnen in Wäschereien sind generell schlecht bezahlt. Aber Frauen werden noch einmal zusätzlich benachteiligt, weil sie in vielen Fällen noch weniger Geld bekommen als Männer.
Dafür gibt es doch eigentlich Betriebsräte?
Meistens erfährt eine Frau gar nicht, dass sie weniger verdient als der Kollege neben ihr. So bieten Personalchefs Männern häufig von vornherein eine höhere Gehaltsstufe bei der Einstellung an. Wenn eine Frau das zufällig mitkriegt, aber nichts sagt, weil sie um ihren Job fürchtet, haben Betriebsräte wenig Handlungsspielraum. Wir nennen das verdeckte Diskriminierung. Und bei jungen Frauen und Mädchen kommen noch andere Ungerechtigkeiten hinzu: Sie erhalten weniger Urlaub und ihnen wird eine kürzere Pause gestattet.
Was können Gewerkschaften tun?
Zum Beispiel für einen gesetzlichen Mindestlohn kämpfen. Der sollte mindestens 7,50 Euro betragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“