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ArbeitsmarktDas Jobwunder von 2009

Die Arbeitslosigkeit ist im vergangenen Jahr weniger gestiegen als befürchtet. Derzeit sind 3,3 Millionen Menschen ohne Job. Viele Unternehmen entlassen Leiharbeiter.

"In vielen Unternehmen kommt die Krise erst in diesem Jahr voll an", sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Bild: dpa

Die große Horrorshow ist vertagt. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat am Dienstag in Nürnberg einen sehr mäßigen Anstieg der Arbeitslosigkeit im Krisenjahr 2009 bekannt gegeben. Demnach haben im Jahr der größten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik nur rund 218.000 Menschen ihren Job verloren. Die Statistik der Agentur zählte damit im Dezember 3,3 Millionen Arbeitslose. Noch im Sommer hatte die BA mit mehr als 4 Millionen Arbeitssuchenden zum Jahresende gerechnet.

Dennoch will BA-Chef Jürgen Weise für 2010 keine Entwarung geben. Die Zahl von über 4 Millionen Arbeitslosen werde voraussichtlich im Herbst erreicht, sagte Weise. Die Agentur stützt ihre Voraussage auf die Zahlen der Bundesregierung.

Besonders betroffen von der weltweiten Wirtschaftskrise sind Branchen, die sonst sehr vom Export profitieren, wie der Maschinenbau oder die Automobilindustrie.

Der Sprecher der IG Metall, Jörg Köther, sagte, dass einige Unternehmen Auftragseinbrüche bis zu 50 Prozent verkraften mussten. Trotzdem blieb die Beschäftigung erstaunlich stabil. "Doch viele Unternehmen hatten schon zu Jahresbeginn befristet Beschäftigte und Leiharbeiter entlassen", so Köther.

Die Stammbelegschaften hatten nach Ansicht der IG Metall und der Arbeitsagentur stark von der Kurzarbeiterregelung profitiert. Nach Schätzungen der Arbeitsagentur sind derzeit etwa eine Millionen Menschen als Kurzarbeiter beschäftigt.

Arbeitgeber und Gewerkschaften machen sich dafür stark, die Regelung notfalls zu verlängern. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt mahnte an, die Politik müsse jetzt Kurs halten. "In vielen Unternehmen kommt die Krise erst in diesem Jahr voll an", sagte Hundt.

Auch Köther von der IG Metall sieht das Jahr 2010 als Bewährungprobe. Obwohl Wirtschaftsexperten derzeit ein Wachstum von 2 Prozent vorhersagen, glaubt die Gewerkschaft nicht, dass sich diese Erholung auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen wird.

Dennoch oder gerade deshalb gehen die Gewerkschaften mit Forderungen nach moderaten Lohnerhöhungen in die anstehenden Tarifrunden. Bei der IG Metall endet der Tarifvertrag im April. "Oberstes Ziel ist Beschäftigungssicherung. Aber wir brauchen auch angemessene Lohnerhöhungen", sagte Köther.

Voraussetzung für eine schnelle Überwindung der Krise sei eine Belebung der Binnenkonjunktur, meinte auch Claus Matecki vom Deutschen Gewerkschaftsbund. "Ohne steigende Reallöhne kommt die Konsumnachfrage nicht in Schwung."

Nachholbedarf sieht der DGB vor allem im Dienstleistungsbereich. Dort ist die Beschäftigung im vergangen Jahr sogar gewachsen, allerdings arbeiten hier auch besonders viele Niedriglöhner. In der Wirtschaft werden dagegen Forderungen nach einer Lohnpause laut.

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9 Kommentare

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  • N
    Nad

    Es gibt 8,1 Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz) - davon (und dem ALG I) werden 3,5 Mio offiziell als Arbeitslos registriert. Wer mehr als 15 Stunden etwas macht, z.B. 1-EURO-Job, ist aus der Statistik raus.

    Soviel zu den Zahlen. Was nicht dargestellt wird, ist, wieviele Leute werden eigentlich von den Ämtern vermittelt, wieviele offene Stellen waren gemeldet, wieviele Leute sind aus der Statistik raus wegen Maßnahme etc.

    Bei der neuen Zahlmethode kommt m.M. ein viel zu positives und verklärtes Bild heraus. Tatsächlich reagiert der Markt phasenverschoben. Genauso wird das auch mit einem Aufschwung am Arbeitsmark erfolgen: Bis ein Unternehmen eine Arbeitskraft einstellt, dauert es nicht selten 3 bis 6 Monate.

    Und Kurzarbeitergeld ist eine ganz teure Luxusleistung, die auch schwache Betriebe mit schwachen Produkten am Markt hält. Der Steuer- und Beitragszahler bezahlt damit also auch Unternehmen, die ohnehin vom Markt verschwinden werden.

    Darauf weist die IG Metall und der DGB natürlich nicht hin, weil es ja eine dicke Rechnung am Schluss gibt. Auf jeden Fall ist es gut, wenn das Human-Capital in der Industrie nicht leichtfertig verschleudert wird, aber ob das hier nicht einfach nur teuer ist, hat bislang auch niemand entschlüsselt.

    Konsum - hin oder her - die Löhne müssen steigen. Wenn im Öffentlichen Dienst von Ver.di und dem BBB miese ABschlüsse gemacht werden, kann es wohl kaum wundern, dass Tausende Polizisten, Amtmitarbeiter einem 400-EURO-Job nachgehen. Das geschieht im öffentlichen Dienst mit Genehmigung des Personalrats. Der stimmt zu, damit die Leute nicht aus ver.di und Beamten Bund austreten und ihn wiederwählen. Dadurch werden aber niedrigschwellige Stellen durch 400-EURO-Jobs ersetzt. Und auch hierüber schweigt der DGB, weil es eine seine größten Schwächen offenlegen würde: Der Abstieg der Gewerkschaft ver.di und der Niedergang der Löhne im öffentlichen Dienst.

    Die 400-EURO-Jobs sollten für Beamte und Staatsdiener enifach nicht zugänglich sein. Gerade bei schichtarbeitenden Polizisten muss auch die Frage erlaubt sein, wie das überhaupt vereinbar sein kann?

    Wenn der DGB im Interesse seiner Mitglieder arbeiten würde, würden sich die Dinge schnell verbessern, solange aber die Gewerkschaften ihre eigenen sonderbaren Lösungen benutzen, wird auch vom DGB kein Impuls zu erwarten sein.

    Die Kurzarbeiterlösungen zahlen schließlich zum größten Teil Arbeitnehmer und was am Ende dabei erreicht wird, steht noch nicht fest.

  • H
    Hans

    @avelon

     

    Sehr richtig. Es handelt sich hier um eine von der Bundesregierung aus Steuergeldern subventionierte Statistik. Diese Zählweise wird übrigens auch in anderen Ländern ähnlich propagiert, z.B. in den USA (Reagan, Clinton u.a).

    Denn eine geringe Arbeitslosenquote ist ein äußerst wichtiger Gradmesser für die Qualität einer Regierung.

     

    Aber es ist nicht so, dass sich Herr Weise dessen nicht bewusst ist, sondern es wird im Gegenteil als politisch gewollt getarnte Kosmetik verkauft, um es in die breite Masse zu streuen.

     

    Btw: Zu den bereits genannten Schönfärbereien gehören auch Maßnahmen bei privaten Bildungsträgern, wo Steuergelder verschwendet werden, bei denen nichts anderes gemacht wird, als Aufgaben und Pflichten der Jobcenter privat auszusourcen, damit sie aus der Statistik verschwinden. Die Angestellten/Bediensteten widerum in den Jobcentern sind/waren vornehmlich mit Statistikauswertungen für Herrn Weise und seine Führungsriege beschäftigt wie ein großes Boulevard-Blatt unlängst enthüllte.

  • MX
    Mister X

    Das die amtliche Statistik nicht das reale Ausmaß an Arbeitslosigkeit widerspiegelt ist entgegen der hier getätigten Äußerungen (durch die Medien: u.a. durch die Bild-Zeitung) hinlänglich bekannt. Was aber die aktuelle Brisanz der Thematik angeht, so wird hier im Besonderen in 2010 von einer signifikanten Erhöhung der Arbeitslosenzahlen auf Grund der bis dato andauernden und langfristig nicht mehr finanzierbaren Kurzarbeit auszugehen sein. Natürlich sind in der amtlichen Arbeitslosenstatistik längst nicht alle Arbeitslosen erfasst, aber die Frage die sich aktuell stellt ist doch nicht die nach einer realen Wiedergabe der amtlichen Statistik, sondern gerade vor dem Hintergrund des zu erwartenden deutlich steigendem Ausmaßes von Beschäftigungslosigkeit, wie dem entsprechend begegnet werden kann.

  • 2
    2010

    Am Ende bleibt die Frage, was teurer gewesen wäre bzw. war: Die vielen Arbeitslosen zu bezahlen, oder das Kurzarbeitergeld. Gebracht hat das Kurzarbeitergeld am Ende nur eines: die Wähler durften vor der Wahl noch auf Wolke rosarot sitzen. Weich, warm, mollig, bequem. Genau in der richtigen Stimmung eine Partei zu wählen, die das blaue vom Himmel verspricht. Nun, gewählt ist gewählt. Vier Jahre lang besitzt das Volk, also 80 Millionen Menschen, erstmal kein Mitspracherecht mehr. In dieser Zeit läßt sich einiges anstellen. Nun müssen die Menschen auch nicht mehr auf der teuren rosaroten, plüschigen Wolke gehalten werden. Nach der Wahl in NRW hat die Tigerente alles was sie braucht.

    Es wird nun nicht mehr lange dauern, bis die Wirtschaftskrise auch den dümmlichen, leichtgläubigen Pöbel auf der Straße erreicht. Er wird wütend und begreift plötzlich, dass die Tigerente ihn nur auf den Arm genommen hat. Ärger kommt auf, vielleicht wird sogar eine Neuwahl gefordert. Doch wie der Teufel es will, deklariert man plötzlich den humanitären Afgahnistaneinsatz als Kriegseinsatz. Und wenn sich Deutschland in einem Krieg befindet, so steht es in unserem Gesetzbuch schwarz auf weiß, werden sämtliche Wahlen ausgesetzt, bis der Krieg wieder vorbei ist. Und wenn eine Regierung über ihre Unbeliebtheit im Volke weiß, dann kann man sich gar nicht vorstellen, wie lange so ein selbsternannter Krieg andauern kann.

  • A
    avelon

    Das einzige Wunder ist die Statistik-Luege.

     

    Nur 3,3 Mio. Arbeitslose?

     

    Erst einmal handelt es sich um Menschen, die ueber keine bezahlte Erwerbstaetigkeit verfuegen, arbeitslos sind die wenigsten Menschen.

     

    Herr Weise sollte sich einmal Gedanken darueber machen und Statistiken erstellen lassen, was Leih- und Zeitarbeit, Niedriglohn, 1-Euro-Arbeit, zunehmende Teilzeit-Arbeit und Zuschuesse der Arbeitsanstalten (fuer Menschen, die von ihrem Lohn nicht existieren koennen) auf Dauer fuer uns alle bedeutet: Mehr und mehr Altersarmut, die durch Erwerbstaetige finanziell aufgestockt werden muss.

     

    Allerdings bezweifele ich, ob sich Herr Weise ueberhaupt darueber Gedanken machen kann, ist er doch stets voll im Stress mit seinen Konsorten, diese Arbeitswelt durch Faelschung seiner Statistiken rosa zu uebertuenchen.

  • KH
    Karin Haertel

    Nix Wunder, die Zahlen steigen schon laenger, man hat sie nur vermauschelt. Die jetzige Regierug setzt - wie auch die vorherigen - beim Wachstum immer nur auf den Export. Der Inlandskonsum wurde schaendlich vernachlaessigt und kommt fast zum voelligen Erliegen. Findet Konsum ueberhaup noch statt, dann ausschliesslich ueber Schulden. Es wid also hoechste Zeit fuer Steuersenkungen, die man sieht und ausgeben kann, statt neuer Steuerefindungen oder Erhoehungen.

  • F
    franziska.qu

    Und wie folgsam alle Medien mitjubeln und von der Wahtheit schweigen. Wahrscheinlich gibt es mittlerweile im Rahmen des Überwachungsstaates bereits eine Zensurbehörde. Nur die Leser sollen dies nicht wissen. Oder haben alle Journalisten bereits die Schere im Kopf?

  • R
    Ragism

    Gerne vergessen wird, daß die Bundesagentur für Arbeit in ihren Statistiken in den letzten Jahren mehr und mehr Zahlen unter den Tisch kehrte. So sind Arbeitslose, die an private Agenturen oder Weiterbildungskurse vermittelt wurden, nicht mehr in der Statistik. Auch Arbeitslose über 58 werden nicht mehr erfasst. Weit über 1,5 Mio Arbeitslose tauchen hier nicht auf!

     

    Dies sind Zahlen, die die Agentur sogar veröffentlicht. Nur registriert nachher jeder nur die geschönten Zahlen, welche von der Leyen und ihre Vorgänger nicht müde wurden zu zitieren.

    Ich möchte nicht wissen, mit welchen Statistiktricks nun wieder gearbeitet wurde...

  • UB
    Ulrich Bogun

    Traue keiner Statistik, die du nicht selbst ...

     

    Sind also 3,3 Millionen als arbeitslos geführt. Wie viele empfangen aber "Sozialleistungen"? 8 Millionen? 9? Klar, da sind ja Leute auf dem "2. Arbeitsmarkt" und verbringen zum Gutteil ihre Zeit mit sinnlosen Projekten, um via Beschäftigungsgesellschaft ihren Hartz IV-Satz zu erhalten. Oder sie werden "weitergebildet" in längst gesättigten Medienbranchen, jobben für einen Euro pro Stunde oder sind einfach zu alt, um vermittelt zu werden, und somit nicht mehr arbeitssuchend.

     

    Die klarsten Worte und den ehrlichsten Zorn über die Lügen der Volksverrä…, sorry, -vertreter habe ich bei Georg Schramm gefunden - aber ist ja Satire und damit Überspitzung der Verhältnisse - oder?