Arbeitslosen-Proteste: „Bin billig und willig“

■ Rekordarbeitslosigkeit in Bremen / Oldenburger halten Arbeitsamt besetzt

„So habe ich mir das vorgestellt“, unkt Werner Herminghaus, arbeitslos und Pressesprecher der PDS Bremen. „Nur Funktionäre und kaum einer, den es wirklich angeht.“Es ist Donnerstag früh, halb neun und noch ziemlich leer auf dem Platz vor dem Arbeitsamt Bremen-Mitte. Wird in der Hansestadt nichts aus dem Aktionstag der Arbeitslosen, mit dem Gewerkschaften und Initiativen „Proteste wie in Frankreich“initiieren wollten?

In Oldenburg haben zur gleichen Zeit die ersten 80 Leute ihre Schlafsäcke im Arbeitsamt ausgerollt. „Wir bleiben“, sagt Erich Wilken von der Arbeitsloseninitiative ALSO. Wieso hier? Irgendwo müsse man ja anfangen.

Um neun Uhr sind auch in Bremen rund 250 Leute zusammengekommen. Gitta Barufke von der Arbeitsgemeinschaft arbeitsloser BremerInnen (AGAB) hat Mühe, sich verständlich zu machen: Sie will die mitgebrachten Bewerbungen ausgefüllt sehen. „Ich bin billig... überaus willig... werde niemals aufmucken“, steht darauf. „Na klar unterschreib' ich das“, sagt Peter Tischler, Elektrotechniker auf Jobsuche, der sich eigentlich „nur mal wieder beim Vermittler melden“wollte. „Ich würde noch mehr tun, ich will nicht, daß das Arbeitsamt mich in sinnlose Maßnahmen oder Jobs zwingt.“Die 28jährige Bettina Albrecht hat das schon fast hinter sich. Sie macht eine Fortbildung zur „Sachbearbeiterin Einkauf/Verkauf“. Und dann? Schulterzucken. Vielleicht könne ihr eine Bekannte bei einer Zeitarbeitsfirma helfen.

„Sie wollen doch nicht wirklich bleiben“, heißt es plötzlich in Oldenburg. Jedenfalls nicht über Nacht. „Wir können nichts absperren“, sagt Arbeitamtssprecher Günter Behrend. „Das gibt Probleme mit dem Datenschutz.“Die ProtestlerInnen befürchten eine polizeiliche Räumung.

Die BremerInnen dagegen wollen nur noch ihre Billig-willig-Bewerbungen an den Mann bringen. Nur: Wer ist der richtige? Der Direktor? Die VermittlerInnen? „Der Personalchef“, schlägt jemand vor. „Herr Döring, fünfter Stock“, hilft eine Arbeitsamtmitarbeiterin weiter. Unterwegs klopft Peter Tischler an jede Tür. „Guten Tag, haben Sie Arbeit für mich?“Die erste Sachbearbeiterin ist „nur für Kurzarbeit zuständig“, die zweite sagt: „Bei mir kriegen Sie nur Geld.“

Auch Gerhard Döring öffnet sein Büro bereitwillig. Aber weiterhelfen kann er den BewerberInnen auch nicht. Ohnehin glaubt er, „daß es bessere Adressen“gibt. „Ziehen Sie doch vor die Parteizentralen.“

In die gleiche Kerbe haut Arbeitsamtsdirektor Christian Hawel bei der Verkündung der offiziellen Arbeitslosenzahlen. 42.395 Frauen und Männer sind derzeit im Arbeitsamtsbezirk Bremen arbeitslos gemeldet, 15,6 Prozent – 0,5 Prozentpunkte mehr als im Dezember, 0,2 mehr als vor einem Jahr. „Nachkriegsrekord.“

Und, so Hawel, die illegale Beschäftigung nimmt zu. Daß die Politik daran nicht schuldlos ist, streite er nicht ab: „Jede Kürzung von Leistungen bringt die Gefahr, daß Menschen in illegale Bereiche ausweichen.“

„Toller Anfang“resümiert IG-Metall-Sekretärin Antje Edel. „Das nächste Mal wenden wir uns an die Politik oder die Arbeitgeber.“

So weit denken die inzwischen 120 BesetzerInnen im Oldenburg noch nicht. Sie wollen bis Freitagmittag im Amt bleiben, koste es, was es wolle. Zum showdown kommt es jedoch nicht. Kurz vor Redaktionsschluß der taz entscheidet das Arbeitsamt, den Vortrakt, der von den Büros getrennt ist, zur Verfügung zu stellen. bw