Arbeitskampf: SPD bestreikt Ver.di
Im festgefahrenen Tarifkampf für den öffentlichen Dienst drängt die Linke auf neue Verhandlungen. Die SPD sitzt den Konflikt hingegen aus. Beiden geht es um die Nachfolge des Solidarpakts ab 2010
Bisher schien sich die Linkspartei in den Tarifauseinandersetzungen im Öffentlichen Dienst nicht gerade aus dem Fenster zu lehnen. Nun aber macht sie in den festgefahrenen Verhandlungen Druck auf ihren Koalitionsparter. Der haushaltspolitische Sprecher im Abgeordnetenhaus, Carl Wechselberg, forderte die SPD am Montag auf, die Verhandlungen mit den Gewerkschaften unverzüglich wieder aufzunehmen. "Es geht uns nicht darum, Geschenke zu verteilen", sagte Wechselberg. Aber die SPD sollte Gesprächsbereitschaft zeigen - auch im Sinne der Tarifrunde für die Zeit ab 2010.
Seit nunmehr anderthalb Jahren versuchen die Gewerkschaften für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine Lohnerhöhrung von 2,9 Prozent und dreimal 300 Euro zu erkämpfen. Der Senat hatte im Juli lediglich zwei Einmalzahlungen von insgesamt 600 Euro für dieses und nächstes Jahr in Aussicht gestellt. Das war den Gewerkschaften zu wenig. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) brach daraufhin die Verhandlungen ab und verwies auf die Gespräche 2009 zur Nachfolge des Solidarpakts. Seitdem wird gestreikt. In der kommenden Woche wollen die Gewerkschaften sogar eine ganze Woche lang die Bürgerämter, Feuerwehr, die Kindertagesstätten und Schulen bestreiken.
So festgefahren die aktuellen Tarifauseinandersetzungen scheinen mögen - hinter dem Starrsinn der SPD steckt Kalkül: Sie will den Konflikt aussitzen und eventuelle Lohnerhöhrungen für die Tarifrunde nächstes Jahr aufheben. Denn 2010 läuft der im Sommer 2003 ausgehandelte so genannte Solidarpakt aus. Damals hatten sich die Gewerkschaften nur mit Bauchschmerzen auf die Formel "Lohnverzicht für Arbeitsplätze" eingelassen. Berlin war aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband ausgestiegen, weil das Land sich aufgrund seines enormen Schuldenbergs nicht in der Lange sah, die Tarifsteigerungen des Bundes und der anderen Kommunen mitzutragen. Senat und Gewerkschaften einigten sich auf Lohnverzicht zwischen acht und zwölf Prozent bei entsprechender Arbeitszeitverkürzung.
Verdi-Chefin Stumpenhusen kündigte jetzt an, dass sie ein zweites Mal einem solchen Pakt nicht zustimmen werde. "Der Senat hat das Vertrauen verspielt." Dabei will auch die SPD keine Neuauflage des Solidarpakts. Sowohl Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) als auch Körting haben in den vergangenen Wochen mehrmals verkündet, dass nicht über eine Anschlussregelung mit weiterhin abgesenkten Arbeitszeiten und Gehältern verhandelt werde. "Irgendwann müssen wir wieder an das Gehaltsniveau der anderen Bundesländer ran", sagte Sarrazin.
Der Hintergrund: Der Finanzsenator will die Zahl der Vollzeitstellen von jetzt aktuell 114.000 bis 2015 auf 93.500 reduzieren und sich im Gegenzug auf Lohnerhöhungen für die verbleibenden Beschäftigten einlassen. Ver.di habe sich dieser Idee keineswegs ablehnend gegenüber gezeigt, berichten Insider. Die Gewerkschaft setze auf Bestandsschutz. Ihr seien die Lohnerhöhungen für ihr bereits vorhandenes Klientel wichtiger als der Erhalt von Arbeitsplätzen.
Für die Linkspartei ein Fehler, falls es tatsächlich dazu kommen sollte: Sie möchte, dass mindestens 100.000 Stellen im öffentlichen Dienst erhalten bleiben. "Schon jetzt leiden die Berliner Behörden unter einem hoffnungslos überalterten Personal", sagte Wechselberg. Junge Leute hätten überhaupt keine Chance.
Und so bleibt der Tarifkonflikt zwischen Gewerkschaften, Sozialdemokraten und Linke verworren - und eine Einigung ist nicht in Sicht.
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