: Arbeiterwetter
Das Wetter und wir. Auch wenn Ulrich Wickert durch schmierseifige Anekdötchen die Bedeutung des Wetters stets herunterzuspielen versucht, es ist wichtig, mehr denn je. Ein recherchierender Blick ins Archiv belegt, daß die Qualität von Maidemonstrationen stets wetterbedingt war. Läßt sich anhand der Witterung doch der Grad der Abhärtung auf Seiten der Arbeiterklasse exemplifizieren; bei Sonnenschein belegen Fotos Massenaufläufe mit Kinderwagen, bei Hamburg-typischerer Witterung kann man mißmutige Einzelkämpfer unter wogenden Regenschirmen bestaunen.
Statt platter wickertscher Wetterhinführungen verstand man es bei tazens schon am 3. Mai 1982, ein heiteres Konglomerat aus Wetter und Revolution zu schaffen. „Rote Fahnen und grauer Himmel“ hieß es seinerzeit dialektisch, im Jahr darauf war zwar das Wetter gut, aber offenbar der ganze Rest blöd, „Der Sonnenschein war nicht schuld“ wird am 2. Mai 1983 der schwarze Peter den Roten zugemünzt.
Vielleicht begünstigt ja schlechtes Wetter gar die Bewegung? Zumal am 2. Mai 1984 „Rege Beteiligung im Regen“ ausgemacht wurde. Der April macht was er will, aber am ersten Mai, da machen wir, was das Wetter will. Obwohl, Treibhauseffekt sei Dank, 1988 „Sonnenschein am 1. Mai“ und 1990 gar „Ein freundlicher Familientag“ notiert wurden, also scheint auch Sonne in Maßen dem Kampfe nicht abträglich zu sein.
Auch in diesem Jahr schien die Sonne auf Arbeiters Köpfchen, warm war's, und vor zwei Jahren wurde „Monica Seles spielunfähig“ gesäbelt, von einem Arbeitslosen. Darüber sollten wir nachdenken.
Benjamin v. Stuckrad-Barre
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