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Arbeit verändert - uns alle

■ Museum der Arbeit: Hamburgs unbekanntes Museum mit dem „Blick von unten“ wird ganz langsam Realität Von Sven-Michael Veit

„Dieses Museum wird in Bewegung sein“, sagt Gernot Krankenhagen, und er fügt hinzu: „Es wird es sein müssen“. So richtig „fertig“ werde es wohl nie werden, nie werden können. Denn Vergangenheit, Gegenwart und nicht zuletzt Zukunft gesellschaftlicher Entwicklungen seien die Themen – Themen des permanenten Wandels, die mit statischen Betrachtungsweisen nicht zu begreifen und noch viel weniger zu vermitteln sind.

Prof. Krankenhagen ist Direktor des Museums der Arbeit am Barmbeker Bahnhof. Dort, in den Fabrikgebäuden der ehemaligen „New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie“ residiert das siebente, das kleinste, das jüngste und vermutlich das unbekannteste staatliche Museum der Hansestadt. So unbekannt, daß es im offiziellen Hamburg-Handbuch des Senats im Stichwortverzeichnis als Museum für Arbeit geführt wird.

Wenn am morgigen Sonnabend Kultursenatorin Christina Weiss das erste renovierte und für die Museumszwecke umgebaute Gebäude des Gründerzeit-Ensembles, das sogenannte „Kesselhaus“ einweiht, markiert das lediglich das Ende des ersten Bauabschnitts. Doch viele Etappen werden folgen müssen, um das ungewöhnlichste Museumsprojekt der Hansestadt zu realisieren. Erst zur Jahrtausendwende wird das Museum der Arbeit endlich in der Lage sein, seine Aufgaben wahrzunehmen: kollektives, soziales Gedächtnis zu sein und zugleich Forum der Diskussion über gesellschaftliche Fragen der Zukunft.

Aufgaben, die das ambitionierte Projekt fast 15 Jahre lang zu einem kulturpolitischen Zankapfel ersten Ranges machten. Das ist so verwunderlich nicht, denn die ursprüngliche Idee war durchaus dazu angetan, so manchen, der in dieser Stadt Einfluß hat, mit Sorge zu erfüllen.

Ein Museum solle entstehen, so dachten es sich 1979 die Initiatoren aus dem „Verein Museum der Arbeit“ und Teilen des Hamburger DGB, das die Geschichte der Arbeit im Industriezeitalter aus der Sicht der Betroffenen darstellt. Der Alltag der Bevölkerung während der vergangenen 200 Jahre, die Arbeits- und Wohnverhältnisse der Lohnabhängigen und ihrer Familien, kurz: das Leben und Leiden früherer Generationen sollte für den heutigen Betrachter erfahrbar, sinnlich nachvollziehbar gemacht werden.

Im Mittelpunkt immer der Mensch: Nicht der Leistungsfähigkeit einer Maschine habe das Augenmerk zu gelten, sondern dem Lärm und Schmutz, die sie verursachte, den Gesundheitsbedrohungen, die von ihr ausgingen, den Arbeitsprozessen, die sie erzwang.

Die sozialen – und nicht zuletzt die unsozialen – Folgen der technisierten, arbeitsteiligen Gesellschaft aus dem Blickwinkel derer „da unten“ zu analysieren und zu schildern, sei eine Hauptaufgabe des Museums. Die zweite: Der historische Blick auf die Arbeiterbewegung, ihre Kultur, ihre Organisationen – und ihre Unterdrückung.

Keine Stätte wertfreien ästhetischen Genusses also sollte es werden. Kein Wunder folglich, daß konservative Kreise in Sozialdemokratie und Gewerkschaften ein „Museum der roten Fahnen“ befürchteten; kein Wunder auch, daß der ehemalige Erste Bürgermeister Klaus von Dohnanyi das Projekt für „zu wenig repräsentativ“ und sein Nachfolger Henning Voscherau es für „schlicht überflüssig“ hielt. Kein Wunder also, daß es über zehn Jahre dauerte, bis am 1. Januar 1990 das Museum offiziell gegründet wurde; kein Wunder ebenfalls, daß der Senat die Finanzmittel so knapp hält, daß bis zur faktischen Eröffnung vermutlich noch rund zwei Jahre ins Land gehen werden und die letzte Ausbaustufe wohl erst in sechs Jahren fertiggestellt sein wird.

Denn es war lediglich die „kleinste vertretbare Lösung“, die der Senat Ende Juli 1989 in einer Kampfabstimmung – und gegen das Votum des Bürgermeisters Voscherau – abgesegnet hatte. Der damalige Kultursenator Ingo von Münch hatte, gestützt auf das in internationalen Fachkreisen gelobte Gutachten einer eigens berufenen „Planungskommission“, die Museumsgründung durchgesetzt. Doch der Senat ließ sich seine Zustimmung teuer erkaufen: Im Vergleich zu der Kommissions-Expertise wurden der Flächenbedarf auf die Hälfte reduziert, das Personal auf ein Drittel und die Investitionen auf ein Viertel zusammengestrichen sowie der Zeitrahmen bis ins Jahr 2000 verlängert.

Gernot Krankenhagen sieht die Konflikte der vergangenen Jahre inzwischen mit einer gewissen Abgeklärtheit. Zwar seien „nicht alle Träume“ in Erfüllung gegangen, doch das Museum habe durchaus „inhaltlich und auch finanziell eine gute Grundlage“. In der Tat hat das im vorigen Jahr vorgelegte überarbeitete Konzept die ursprünglichen Ideen und die Vorgaben des Experten-Gutachtens bewahrt und weiterentwickelt.

Ein „Museum von unten“ wird es sein, und dazu gehört auch, daß erstmals in einem bundesdeutschen Museum die Kategorie „Geschlecht“ als ein grundlegender Begriff für Forschung, Sammlung und Vermittlung definiert wurde. Die Rolle der Frauen in Haus- und Erwerbsarbeit wie auch in der Gesellschaft wird eines der zentralen Themen sein. „Armut ist weiblich“: Ein bekanntes Schlagwort, das auf der historischen wie aktuellen Ungleichheit in den Geschlechter- und Arbeitsverhältnissen zu Lasten der Frauen basiert; ein Schlagwort, dessen Inhalte, Bedeutungen und Konsequenzen im Museum der Arbeit aus „dezidiert feministischer Perspektive“ untersucht werden.

Ebenso ruht der „bilanzierend-kritische Blick“, wie Krankenhagen es nennt, auf dem „Fortschritt der Produktivität“ oder dem „Preis des Wohlstandes“, auf den qualitativen Veränderungen in der menschlichen Arbeit und auf deren sozialen, kulturellen und ökonomischen Folgen.

Denn Arbeit verändert – uns alle, die Gesellschaften, die Natur. Doch wie, warum, wodurch? – einfache Fragen, auf die sich, so will es scheinen, keine einfachen Antworten finden lassen. Das Museum der Arbeit will dennoch einige suchen.

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