piwik no script img

Arbeit und Umwelt - Routinesache

■ SPD-Fraktionsvorsitzende zu Gast in Bremen: Der Nordsee soll geholfen werden, „so unverzüglich es eben geht“ / Bund soll mehr Geld an die Küstenländer überweisen

Eine „angestiegene Fieberkurve“ hat Bremens Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte bei den Patienten Nord-und Ostsee diagnostiziert. Und der Bundes-und Fraktionsvorsitzende der SPD, Hans-Jochen Vogel, weiß, daß die Meere „ohne einschneidende Maßnahmen dem sicheren Tod entgegen gehen.“ Zwei Äußerungen nach zweistündiger Beratung der SPD -Fraktionsvorsitzenden aus Bund und Ländern, die für zwei Tage zum routinemäßigen Gedankenaustausch nach Bremen gekommen sind.

Der Bremer Umweltsenatorin blieb es gestern vorbehalten, die Forderung der SPD-Fraktionen nach einem nationalen Notprogramm für die Nordsee zu erläutern. Der SPD reicht das Ziel der Nordseeschutzkonferenz nicht aus, den Nährstoffeintrag in die Nordsee bis 1995 um 50 Prozent zu verringern. Länder und Gemeinden müßten schnellstmöglich und in großem Umfang Investitionen zum Beispiel bei den Klärwerken vornehmen. Da dies jedoch deren finanzielle Möglichkeiten überschreite, soll sich die Bundesregierung mit „erheb

lichen Beträgen“ an dem Sofortprogramm beteiligen.

Des weiteren wünschen die Sozialdemokraten eine Verschärfung der Umweltgesetzgebung. Auf einen konkreten Zeitplan oder ein sofortiges Verbot der Verklappung von Dünnsäure konnten sich die Fraktionsvorsitzenden aber nicht einigen. Nach kontroverser interner Diskussion rang man sich lediglich zu der Formulierung „so unverzüglich, wie es nur geht“ durch.

Nicht nur die Umwelt, auch die norddeutsche Wirtschaft, soll nach den Vorstellungen der SPD-Fraktionen mit einem Programm saniert werden. Dabei, so der schriftliche Beschluß, sei die Konservierung der überkommenen Wirtschaftstruktur an der Küste nicht möglich. „Wir wollen nicht vorgaukeln“, so der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wolgang Roth, „daß der Schiffbau in dieser Form zu erhalten ist.“ Konkrete Forderungen werden in dem 8-Punkte Maßnahmen-Katalog nicht genannt, dafür fordert die SPD „gewaltige Eigenanstrengungen der Unternehmen,

der betroffenen Bundesländer und insbesondere der Menschen in der Region.“ Letzteres will Roth nicht als Aufforderung zum generellen Lohnverzicht verstanden wissen, sondern als Appell, bei Betriebsumstellungen entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Bezahlt werden soll das SPD -Küstenprogramm aus Bundesmitteln für die regionale Wirtschaftsförderung.

Wie die SPD die Wohltaten für „Arbeit und Umwelt“ bezahlen würde, wußte Hans-Jochen Vogel genau: aus dem gleichnamigen 20 Milliarden-Programm der Partei. Was aber tun, wenn die Bundesregierung statt auf Arbeit und Umwelt auf Spitzen -Steuerentlastung setzt? Erst wenn die Steuerreform, die „Hauptursache für das Finanzchaos, das Bundesgesetzblatt erreicht hat, haben wir einen Zustand, der neue Überlegungen erfordert“, so Vogel. Da dieser Zustand mit Sicherheit früher eintreten wird als der Regierungswechsel in Bonn, haben die SPD-Fraktionen noch genug Gelegenheit, bei gemeinsamen Treffen ihre Forderungen zu präzisiern routinemäßig.

hbk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen