: Arafat macht Frieden im Alleingang
■ Der PLO-Chef erkennt Israel an / Rabin erklärt die PLO zur Vertretung der Palästinenser
Tunis/Tel Aviv (taz/dpa/AFP) – Die israelische Regierung und die Führung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) haben sich über die gegenseitige Anerkennung geeinigt. Das israelische Kabinett erteilte Ministerpräsident Rabin gestern abend die Vollmacht, die PLO als „Vertretung des palästinensischen Volkes“ anzuerkennen. PLO-Sprecher Hassan Asfur sagte in Tunis, der Text einer entsprechenden Erklärung der PLO sei bereits in den Händen der Israelis.
Die Formulierungen waren in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in Paris ausgehandelt worden. Letzte Unklarheiten wurden per Telefon ausgeräumt. Als Vermittler fungierte der norwegische Außenminister Johan Jörgen Holst, der schon bei den Geheimverhandlungen der letzten Monate im Hintergrund gewirkt hatte. Holst war gestern überraschend nach Tunis gereist, und sollte noch am Abend mit der von PLO-Chef Arafat unterschriebenen Erklärung nach Jerusalem fliegen.
In der Erklärung erkennt die PLO das Existenzrecht Israels an und verkündet einen Verzicht auf jede Form des Terrors gegen den israelischen Staat. PLO-Chef Arafat soll an die palästinensische Bevölkerung appellieren, auf Gewaltanwendung zu verzichten.
Die Verhandlungen in Paris fanden ohne das Wissen hochrangiger PLO- Funktionäre statt. Der als „Außenminister“ der Organisation agierende Faruq Qaddumi sagte nach Bekanntwerden der Einigung: „Ich bin nicht auf dem laufenden.“ Das ebenfalls in der Nacht auf Mittwoch in Tunis tagende Exekutivkomitee der PLO war offensichtlich auch nicht informiert. Bis Redaktionsschluß war nicht klar, ob dieses höchste PLO-Gremium das Abkommen noch billigen sollte oder PLO-Chef Arafat seine Unterschrift ohne dessen Zustimmung geben werde. Ursprünglich war für den Abend eine Sitzung des Komitees angesetzt worden. Der PLO-Sprecher Jasser Abed Raboo sagte aber am späten Nachmittag, die Einigung mit Israel sei perfekt und Arafat habe das Papier bereits unterschrieben.
In den Verhandlungen in Paris hatten sich die Vertreter von Arafat und Rabin offensichtlich darauf geeinigt, auf eine formale Änderung der PLO-Charta vorerst zu verzichten. In der Erklärung soll es dazu heißen: „Die Artikel (der Charta), die das Existenzrecht Israels bestreiten, sind nicht mehr gültig und außer Kraft gesetzt.“ Zu einer Änderung der seit 1964 gültigen Charta ist eigentlich eine Abstimmung des Palästinensischen Nationalrates nötig. Zwei Drittel der rund 600 Mitglieder diese palästinensischen „Exilparlaments“ müßten zustimmen. Das Gremium hatte zuletzt 1991 in Algier getagt. Es gilt als unwahrscheinlich, daß eine Anerkennung Israels von dem Gremium gebilligt würde.
US-Präsident Clinton reagierte überrascht, aber enthusiastisch: „Ich bin begeistert von der Information.“ Vermutlich am Montag werden Palästinenser und Israelis das Abkommen in einer telegenen Zeremonie in Washington unterschreiben.
Der Führer der „Volksfront zu Befreiung Palästinas – Generalkommando“ Ahmad Dschibrill kündigte gestern an, daß Arafat einem Attentat zum Opfer fallen würde. „Wenn Arafat getötet wird, wird das Abkommen dahinwelken“, sagte er in Damaskus.
Im Norden Israels empfingen gestern israelische Soldaten und aufgebrachte israelische Demonstranten knapp die Hälfte der im Dezember in den Süden Libanons deportierten 400 Palästinenser. Die restlichen Deportierten sollen bis zum Ende des Jahres heimkehren. Die wenigsten der Rückkehrer dürfen allerdings in ihre Heimatstädte zurück. Wegen der ihnen vorgeworfenen Mitgliedschaft in den islamistischen Organisationen Hamas und Dschihad Islami erwarten sie in Israel Gefängnisstrafen.
In Jerusalem kündigten die drei Minister der ultraorthodoxen Schas-Partei ihren Austritt aus der Regierung an. Ihre Zustimmung ist für die Verabschiedung eines israelisch-palästinensischen Abkommens notwendig. taud
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